23. Dezember 1999
Inhalt:
1.Die
Entwicklung zur Mitgliederpartei
2.Kosten
und Nutzen der Parteimitgliedschaft
2.1Braucht
es noch Mitglieder?
2.2Kosten-
und Nutzenüberlegungen
2.2.1Kosten und Nutzen der Mitgliedschaft für die Partei
2.2.2Kosten und Nutzen der Mitgliedschaft für die Mitglieder
2.3
Schlussfolgerungen
3.Die
Entwicklung in Westeuropa
3.1Absolute
Mitgliederzahlen
3.2Mitgliederanteil
an der Wählerschaft
3.3Veränderungen
nach Parteifamilien
4.Die
Mitglieder der Schweizer Parteien
4.1Vergleich
und Entwicklung
4.2Ursachen
unterschiedlicher Mitgliederzahlen
5.Fazit
6.Literatur
1.Die
Entwicklung zur Mitgliederpartei
Unter den verschiedensten Autoren besteht Konsens,
dass die Parteien im 20. Jahrhundert unterschiedliche Entwicklungsstadien
durchlaufen haben. Drei verschiedene Ausprägungsformen von politischen
Parteien, die zu unterschiedlichen Zeitepochen gehören, werden in der
Regel unterschieden: bis etwa 1920 waren die Parteien vorwiegend „Kader- oder
Elitenparteien“. Mit der Konsolidierung der westlichen Demokratien zwischen
1920 und 1960 entstanden die eigentlichen „Massen-Mitgliederparteien“. Diese
Organisationsform ist auf das Aufkommen linker Parteien zurückzuführen,
welche die Massenmitgliedschaft als wertvolle Ressource entdeckten, um mit
den gut ausgestatteten bürgerlichen Partei konkurrenzieren zu können.
Der Erfolg der Linken bewog schliesslich auch die rechten Parteien zur Übernahme
des Modells der Massenmitgliedschaft (Scarrow 1994: 41). Seit 1960 hat eine
Loslösung von der Mitgliederbasis eingesetzt, und es entstehen „Allerweltsparteien“,
die sich nicht den „grossen Ideologien“ oder einem bestimmten Segment in der
Bevölkerung verpflichtet fühlen, sondern vor allem dazu dienen,
Wählerstimmen und Mandate zu gewinnen. Um 1970 taucht ein weiter Parteityp
auf, die „Cartel party“, welche näher an den Staat gerückt ist und
von diesem subventioniert wird (Ladner 1999: 239).
2.
Kosten und Nutzen der Parteimitgliedschaft
2.1
Braucht es noch Mitglieder?
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,
ob Parteien denn überhaupt noch Mitglieder brauchen. In den letzten Jahrzehnten
war man unter den Politkwissenschaftern allgemein der Ansicht, dass für
eine moderne Partei das Trachten nach einer grossen Mitgliederzahl unnötig
sei. Begründet wird diese Aussage mit dem Aufkommen des Fernsehens und
anderer Kommunikationsmöglichkeiten (Scarrow 1994: 41). Das Fernsehen
ist zur dominierenden Quelle politischer Information geworden, über welches
auch die Parteiführer direkt kommunizieren bzw. ihre politischen Botschaften
vermitteln können. Für diese Aufgabe haben sich Parteiversammlungen
oder die Parteipresse damit erübrigt (Katz 1990: 146). Ein weiterer Punkt,
der allerdings für die Schweiz weniger zutrifft, ist die staatliche Parteienfinanzierung.
Auch dadurch haben die Mitglieder bzw. deren finanzielle Beiträge an
Wichtigkeit verloren.
Katz (1990: 146) äussert bezüglich
dieser Entwicklung die Befürchtung, dass die Parteien als Element der
Zivilgesellschaft zu einem Teil des Staatsapparats verkommen würden.
Und das die Parteien zunehmend zu Führerorganisationen würden. Die
Partei als Mitgliederorganisation werde marginalisiert, und damit auch deren
Funktion als Verbindung zwischen Elite und Masse.
2.2
Kosten-Nutzenüberlegungen
In dieser Hinsicht stellt sich nun die Frage,
ob Parteien Massenmitgliedschaft denn überhaupt brauchen, oder ob sie
tatsächlich obsolet geworden sei. Andererseits soll auch betrachtet werden,
welche Vor- und Nachteile eine Parteimitgliedschaft für das individuelle
Mitglied herausschauen. Bereits Katz (1990) hat sich mit der Frage der Kosten
und des Nutzens sowohl aus Sicht der Partei als auch aus derjenigen
des einzelnen Mitglieds beschäftigt, ebenso Scarrow (1994), welche
allerdings stärker auf die Sichtweise der Parteielite fokussierte. Die
nachfolgenden jeweiligen Vor- und Nachteile beruhen denn auch weitgehend auf
den Aufsätzen der beiden Autoren.
2.2.1
Kosten und Nutzen der Mitglieder für die Partei
Die Mitglieder nehmen also Einfluss auf Entscheidungen
der Parteielite, manchmal auch gegen deren Vorschläge. Im aktuellen Beispiel
der Wahl eines neuen Bürgermeisters für London zeigt sich der für
die Labour-Partei unwillkommene Einfluss der Mitglieder. Den von der Basis
gewünschte Ken Livingston, der dem traditionalistischen Labour-Flügel
angehört, wollen die Parteistrategen unbedingt verhindern. „Statt die
Londoner Labour-Mitglieder ihren Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters
allein bestimmen zu lassen, wurde ein Wahlgremium gebildet“, schreibt die
Aragauer Zeitung vom 18. November 1999 in einem Artikel. Die Zusammensetzung
dieses Gremiums sei aber so einseitig zugunsten eines der Parteizentrale genehmen
Kandidaten gewesen, „dass es in der Basis zu rumoren begann.“
Ein weiteres Beispiel auf personeller Ebene
ist auch die Wahl Ursula Kochs zur SP-Präsidentin. Während die Fraktion
Andrea Hämmerle favorisierte, entschied sich die Basis bzw. die Delegiertenversammlung
für Koch. Inwiefern die darauf folgenden internen Streitigkeiten dem
Wahlerfolg der SP schadeten, ist schwer abzuschätzen.
Auf sachlicher Ebene andereseits dienen die
deutschen Grünen als gutes Beispiel. Bei diesen dürften u.a. auch
die „Extremforderungen“ der Basis (Benzinpreis von 5 DM pro Liter, Kosovo-Einsatz-Debatte,
Abschaffung der Bundeswehr) für Wahlniederlagen mitverantwortlich sein.
„[...] eine Partei ist zentral auf öffentliche
Wirkung angelegt. Und ein zentrales Moment der öffentlichen Wirkung einer
Partei ist ihre Grösse“, unterstreicht auch Schaller (1994a: 54f.) diesen
Befund. Und weiter: „Vielfach ertönt an die Adresse der Parteien der
Vorwurf, sie hätten die Verbundenheit zum Volk verloren, ja seien gar
zu abgehobenen und durchprofessionalisierten Politikmaschinen geworden, welche
gar nicht mehr fähig seien, die wahre Stimmung im Volke aufzunehmen.
Um diesem Vorwurf entgegenzutreten, präsentieren Parteien dann der Öffentlichkeit
stolz ihre Mitgliederzahlen. Und je grösser diese sind, desto mehr gilt
eine Partei als volksverbunden. Schon aus diesem Grunde sind Parteien sehr
stark daran interessiert, eine breite Basis auszuweisen, auch wenn diese Basis
ausser ihrer Existenz wenig zum Funktionieren einer Partei beiträgt.“
Deshalb, so warnt Schaller,seien die
Angaben der Parteien über ihre Grössemit
Vorsicht zu geniessen.
Bei den Schweizer Lokalparteien zählen
die obligatorischen Mitgliederbeiträge, mit einem Finanzierungsanteil
von knapp 50 Prozent, zu den wichtigsten Einnahmequellen. Einen weiteren Viertel
machen die freiwilligen Mitgliederbeiträge aus. Damit werden die Mitglieder
zu einer starken finanziellen Stütze zumindest der Lokalparteien.
Die Spenden von Nicht-Mitgliedern hingegen fallen mit 5 Prozent kaum ins Gewicht
(Schaller 1994b: 236f.).
Bei den Kantonalparteien machen die obligatorischen
und freiwilligen Mitgliederbeiträge immerhin noch einen Anteil von zwischen
22 Prozent (CVP) und 38 Prozent (SVP) der Einnahmen aus. Die Beiträge
der Ortsparteien, welche wiederum zu einem Grossteil auf Mitgliederbeiträgen
beruhen, machen zwischen 15 und 29 Prozent aus.Die
Spenden von Nicht-Mitgliedern beziffern sich auch bei den Kantonalparteien
auf dürftige 3 bis 9 Prozent (Ladner/Brändle 1999: 21).
Es gilt anzufügen, dass die hier genannten
Kosten und Nutzen der Mitglieder für die Parteien eine Auswahlliste darstellen.
Nicht jede Partei wird die selben Punkte gleich stark betonen. Auch die Veränderung
beispielsweise der politischen Umstände können die Akzentuierung
der Wichtigkeit der Mitglieder beeinflussen. So vermag beispielsweise die
Parteienfinanzierung die Wichtigkeit der Mitglieder als finanzielle Ressource
zu beeinträchtigen.
2.2.2
Kosten und Nutzen der Mitgliedschaft für die Mitglieder
2.3
Schlussfolgerungen
Laut Katz (1990: 158) hat in eine Verschiebung
der Gewichte in Bezug auf die Vor- und Nachteile einer Parteimitgliedschaft,
sowohl für die Parteielite als auch für die Basis, stattgefunden,
welche eine Mitgliedschaft für beide Seiten unattraktiver macht. Katz
sieht nicht nur die soziologischen, sondern auch die psycholoischen Bindungen
schwinden. So verweist er auch auf den immer wieder beschworenen und empirisch
nachvollziehbaren „Niedergang der Parteien“ und den damit verbundenen (relativen)
Rückgang der Mitgliederzahlen.
Das Konzept der Mitgliedschaft mache für
die Parteimitglieder wenig Sinn, schreibt Schaller (1994: 40), da sich „ein
Parteimitglied [...] in der Regel nur die Pflicht auf Beitragszahlung [einhandelt],
und allenfalls den moralischen Druck, auch gefälligst etwas zu tun“.
Und auch Ladner (1999: 248f.) schlägt in die gleiche Kerbe: „Die Parteien
[...] haben kaum mehr selektive Anreize anzubieten, welche ein Mitgliedschaft
besonders attraktiv machen könnten. Sie haben, was die Information über
politische Fragen und Ereignisse anbelangt, ihre privilegierte Stellung an
die Medien verloren und ihre Bedeutung für die Teilnahme an politischen
Entscheidungsprozessen ist gegenüber den Interessenverbänden zurückgegangen.“
Meiner Meinung nach profitieren die Parteien
viel stärker von ihren Parteimitglieder als diese von ihrer Mitgliedschaft.
Als wichtigste Faktoren erachte ich einerseits die finanzielle Basis, die
die Mitglieder der Partei liefern, andererseits die Multiplikatoren-Funktion.
In dieser Hinsicht dienen die Mitglieder auch als Verbindungsglied zur parteiungebundenen
Wählerschaft.
Eine Mitgliedschaft selbst hingegen bringt kaum
Vorteile, wie die Aussagen von Schaller und Ladner bezeugen. Auch die von
Katz erwähnten Punkte stehen auf einer schwachen Grundlage: „Soziale
Anerkennung“ kann man auch in anderen Gruppierungen finden, die politische
Information haben die Medien übernommen und der Einfluss auf die Politik
kann beispielsweise und dies erst noch zielgerichteter über
andere Interessengruppen wahrgenommen werden. Insbesondere in der Schweiz
ist der Bürger weitgehend von Parteien unabhängig, kann er doch
via Initiativen und Referenden viel gezielter politisch Einfluss nehmen. Denn
einzigen Vorteil ein Mitgliedschaft sehe ich darin, ein politisches Amt zu
ergattern. Dies wiederum gilt in der Schweiz auch wieder mehr nur für
die kantonale und nationale Ebene, viel weniger für die lokale.
3.
Entwicklung in Westeuropa[2]
3.1
Absolute Mitgliederzahlen
In Bezug auf die absoluten Mitgliederzahlen
ist in den letzten Jahrzehnten kein europäischer Trend feststellbar,
jeweils rund die Hälfte der untersuchten Länder[3]
hat eine Zunahme bzw. einen Rückgang zu verzeichnen. Einen grundsätzlichen
Kollaps der Mitgliederzahlen hat es in Westeuropa also nicht gegeben. Es gilt
aber zu relativieren, dass die Wählerschaft in den letzten Jahrzehnten
enorm erweitert worden ist. Dieser Elektoratszuwachs ist einerseits auf die
Bevölkerungszunahme, andererseits auf die Erweiterung des Elektorats
beispielsweise durch die Senkung des Wahlrechtsalters zurückzuführen.
Das Elektorat hat sich denn auch um rund 30 Prozent vergrössert. Selbst
ein absoluter Mitgliederzuwachs kann damit einen relativen Mitgliederrückgang
nicht verhindern.
3.2
Mitgliederanteil an der Wählerschaft
Viel bessere Vergleichsmöglichkeiten ermöglicht
der Vergleich der Mitgliederzahlen proportional zur Wählerschaft. In
den letzten Jahrzehnten verzeichneten die westeuropäischen Parteien einen
Mitgliederrückgang. Nur in zwei Ländern Westdeutschland und
Belgien war ein zur Wählerschaft proportionaler Zuwachs zu verzeichnen.
In allen anderen untersuchten Ländern ist der Anteil zurückgegangen,
obwohl die absoluten Mitgliederzahlen teilweise gar anwuchsen
Generell konnten die Mitgliederzahlen mit der
anwachsenden Wählerschaft nicht Schritt halten. Durchschnittlich haben
die Parteien 4 Prozent der Wählerschaft als Mitglieder verloren, von
1960 bis 1990 war ein Rückgang von 14,6 auf 10,5 Prozent zu verzeichnen.
3.3
Veränderungen nach Parteifamilien
Was die Parteifamilien betrifft, so kann bei
den meisten kein gesamteuropäischer Trend ausgemacht werden. Was die
christlich-demokratischen, liberalen und sozialistischen/sozialdemokratischen
Parteien angeht, so halten sich die Länder mit absoluten Mitgliederzuwächsen
bzw. -abnahmen in etwa die Waage. Aus relativer Sicht hingegen hatte die Mehrheit
rückgängige Werte zu verzeichnen. Die sozialistischen und sozialdemokratischen
Parteien beispielsweise hatten einen durchschnittlichen Mitgliederverlust
von knapp einem Fünftel zu verkraften.
Grundsätzlich rückgängige Werte
sowohl auf absoluter als auch auf relativer Basis mussten hingegen kommunistische,
konservative sowie Agrarparteien hinnehmen.
Damit zeigt sich, dass keine der Parteifamilien
immun gegenüber dem Mitgliederrückgang in den Parteien ist. Aber
auch neue Parteien vermochten den allgemeinen Mitgliederrückgang nicht
aufzufangen.
4.
Die Mitglieder der Schweizer Parteien
4.1
Vergleich und Entwicklung
Der Niedergang der Parteien hatte auch in der
Schweiz Auswirkungen auf den Mitgliederbestand.
Eine ältere Untersuchung bezüglich
des Mitgliederbestands ist bei Gruner (1977: 217f.) zu finden. Den Mitgliederanteil
an den Wählern schätzte er 1963/67 auf rund 38 Prozent. Aufrgund
der Einführung des Frauenstimmrechts geht Gruner 1971/75 von einer Halbierung
des Mitgliederbestands aus. Gemessen an der Anzahl der Stimmberechtigten rechnet
er mit rund 11 Prozent Mitgliedern. Dies entspricht einer absoluten Zahl von
rund 390'000 Personen (Ladner 1999: 245).
Die neuste Untersuchung von Ladner und Brändle
(1999) im Rahmen eines Nationalfonds-Projekts zeigt folgendes Bild. Die beiden
Autoren rechnen in der Schweiz mit 300'000 „effektiven“ Parteimitgliedern[4], wovon rund 260'000 auf
die vier Bundesratsparteien entfallen. Die Zahl der Parteimitglieder entspricht
damit bei rund 4,5 Millionen Stimmberechtigten - einem Anteil von 6
bis 7 Prozent (Ladner/Brändle 1999: 10). Im internationalen Vergleich
liegt die Schweiz damit etwa im Mittelfeld (Ladner 1999: 246).
Folgende Tabelle zeigt die Mitgliederentwicklung
in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten:
|
|
|
|
|
|
|
|
FDP
|
|
|
|
CVP
|
|
|
|
SVP
|
|
|
|
SP
|
|
|
|
|
|
|
|
LdU
|
|
|
|
GPS
|
|
|
|
EVP
|
|
|
|
LPS
|
|
|
|
FPS
|
|
|
|
SD
|
|
|
|
EDU
|
|
|
|
PdA
|
|
|
|
Andere
|
|
|
|
|
|
|
|
Total
|
|
|
|
|
|
|
|
Anteil an Stimmberechtigten
|
|
|
|
* Mitglieder und Sympathisanten zusammen
** Republikaner und Nationale Aktion
() Die Zahlen in Klammern wurden von Ladner/Brändle übernommen, da die Parteien keine Angaben machen konnten oder wollten.
4.2
Ursachen unterschiedlicher Mitgliederzahlen
Die Mitgliederzahlen werfen verschiedene Fragen
auf. Weshalb beispielsweise liegt die SP - 1995 zur wählerstärksten
Partei geworden, 1999 wählermässig nur knapp hinter der SVP auf
dem zweiten Platz rangierend mitgliedermässig so deutlich hinter
den anderen (bürgerlichen) Bundesratsparteien zurück?Oder
wieso weist die SVP als wählerstärkste bürgerliche Bundesratspartei
die kleinste Mitgliederzahl auf?
Schallers (1994b:241f.) Analyse der Höhe
der Mitgliederbeiträge[5] ergibt folgendes Bild: Ein
SP-Mitglied bezahlt durchschnittlich einen Jahresbeitrag von 98 Franken. Damit
ist SP die „teuerste“ Bundesratspartei, wohingegen die CVP mit 27 Franken
die tiefsten Beiträge verlangt. Die FDP-Mitgliedschaft kostet 46 Franken,
diejenige der SVP 43 Franken. Der Durchschnittswert aller Parteien beträgt
62 Franken. Linke und grüne Pateien fordern deutlich höhere Beiträge
als die bürgerlich orientierten Organisationen.
Dieser Vergleich zeigt, dass ein Engagement
bei der SP ein Mitglied relativ teuer zu stehen kommt, und dieser Betrag kann
bei progressiven Beitragssätzen um ein Vielfaches höher zu stehen
kommen. Dies mag ein Erklärungsansatz sein, weshalb die Mitgliederzahl
der SP so deutlich hinter denjenigen der übrigen Bundesratsparteien zurückliegt.
Schaller (1994b: 242) schreibt dazu: „Bei den Linken zahlen wenige Mitglieder
viel Geld, bei den Bürgerlichen zahlen viele Mitglieder wenig Geld.“
5.
Fazit
Die westeuropäischen Parteien und damit
auch die Schweiz konnten bezüglich ihrer Mitgliederzahlen mit dem in
den letzten Jahrzehnten erfolgten Elektoratszuwachses nicht Schritt halten.
Die Ursachen für diesen „Niedergang der Parteien“ liegen einerseits in
der abnehmenden Parteiidentifikation, andererseits am abnehmenden Interesse
sowohl der Wahlberechtigten an den Parteien als auch der Parteielite an ihren
Mitgliedern. Die Parteien haben andere Kanäle gefunden, um ihre Botschaften
der Wählerschaft zu vermitteln, andererseits sind sie in vielen Staaten
dank staatlicher Subventionen nicht mehr von Mitgliederbeiträgen abhängig.
Den Wählern wiederum wird eine Mitgliedschaft kaum schmackhaft gemacht.
Diese ist viel mehr mit Aufwand denn mit besonderen Anreizen verbunden. Ohne
Mitglieder allerdings droht sich meiner Ansicht nach der Graben zwischen Wählerschaft
und „classe politique“ zu vergrössern. Insbesondere aus Sicht der Parteien
sollte deshalb alles daran gesetzt werden, Anreize zu schaffen, um Mitglieder
als finanzielle, personelle und ideelle Ressource zu gewinnen und zu behalten.
6.
Literatur
Aargauer Zeitung vom 18.11.1999, S. 4.
Geser, Hans (1994): Die Organisationsstruktur
der Ortsparteien, in: Geser, Hans et al. (Hg.), Die Schweizer Lokalparteien,
Zürich, S.137-188.
Gruner, Erich (1977): Die Parteien der Schweiz,
2. Auflage, Bern.
Katz,
Richard S. (1990): Party as linkage: A vestigial function?, in: European Journal
of Political Research, Heft 18, S. 143-161.
Katz, Richard S. / Mair,
Peter, et al. (1992): The membership of political parties in
European democracies, 1960-1990, in: European Journal of Political Research,
Heft 22, S. 329-345.
Ladner, Andreas (1999): Das Schweizer Parteiensystem
und seine Parteien, in: Klöti, Ulrich et al. (Hg.), Handbuch der Schweizer
Politik, Zürich, S. 213-253.
Ladner, Andreas/ Brändle, Michael (1999):
Facts-Sheet zum Wandel der Schweizer Parteien, Ergebnisse aus dem Nationalfonds-Projekt
„Die Schweizer Parteiorganisationen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts“, Bern.
Scarrow,
Susan E. 1994: The ‚paradox of enrollment‘: Assessing the costs and benefits
of party memberships, in: European Journal of Political research, Heft 25,
S. 41-60.
Schaller, Roland (1994a): Anhängerschaft,
Mitglieder und Aktive Zur Grösse der Parteien, in: Geser, Hans
et al. (Hg.), Die Schweizer Lokalparteien, Zürich, S.39-60.
Schaller, Roland (1994b): Die Kommunalparteien
und das Geld, in: Geser, Hans et al. (Hg.), Die Schweizer Lokalparteien, Zürich,
S. 225-245.
Tages-Anzeiger vom 2.12.1999,
S. 3.