Aufgabenteilung und Entflechtung: Spitalwesen

von Peter Signer

Einleitung

Das System des schweizerischen Gesundheitswesens ist äusserst komplex und kompliziert. Wichtigste Akteure sind dabei die Anbieter, also z.B. Ärzte und Spitäler, die Versicherer, der Bund als Aufsichtsorgan, die Kantone und Gemeinden als Leistungsbesteller/-erbringer und Finanzierer sowie die Patienten als Konsumenten. Schon allein diese nicht abschliessende Aufzählung legt die Vermutung nahe, dass diese Gruppen oftmals nicht die selben, sondern gegenläufige Ziele und Interessen verfolgen. Diese kurze Ausführung vermag die Komplexität des Systems zu verdeutlichen. Zusätzlich herrscht auch hier eine starke föderale Äusprägung vor; ich müsste Euch also nun eigentlich 26 verschiedene Gesundheitssysteme vorstellen.

Ich werde mich aber in der Folge nur auf das Spitalwesen im Kanton Bern beschränken und zwar vorallem auf die Versorgungs- und Finanzierungsseite sowie auf die kantonale Spitalplanung.

Doch möchte ich zuerst noch die beiden folgenden Fragen in den Raum stellen:

  1. Ist das Gesundheitswesen für die Politikwissenschaft überhaupt interessant?

  2. Sozialwissenschaftlich wurde das Thema seit den fünfziger Jahren eher durch Gesundheitsökonominnen belegt. Von seiten der Politologen ist aber in letzter Zeit ein vermehrtes Interesse an diesem Themenkreis feststellbar. Grund dafür dürften sicherlich die stark steigenden Gesundheitskosten sein, die hauptsächlich durch den rasanten technologischen Fortschritt, aber teilweise auch durch demographische und andere Veränderungen bedingt sind (Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP in der CH 1990: 8.3%; 1996: 10.2% = 37 Mrd. Fr. ). Solch erquickliche Beträge rufen verschiedenste Akteure auf den Plan, deren Handlungen zweifelsohne politologisch interessant und auswertbar sind. Viele Abstimmungen betreffen Investitionen in das Gesundheitswesen. Auch aufgrund knapper werdender finanzieller Mittel der öffentlichen Hand gewinnt das Thema zunehmend an politischer Brisanz. Zudem wird in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion vermehrt die Frage der Rationierung und der Zweiklassenmedizin aufgeworfen.

  3. Ist das Gesundheitswesen auch für unser Seminar interessant?
Ich würde diese Frage aus den zwei folgenden Gründen bejahen: Erstens kann die Kostenentwicklung die Gemeinden inskünftig finanziell stärker belasten und so Druck für Gemeindereformen (z.B. NPM) erzeugen. Zweitens kann diese Entwicklung zu neuen Zusammenarbeitsformen zwischen Gemeinden und dem Kanton führen. Auf diesen Sachverhalt werde ich später dann noch vertieft eingehen. Beide Punkte repräsentieren also Themen, denen wir im Laufe unseres Seminars bereits mehrmals in der einen oder anderen Form begegnet sind und noch antreffen werden.
In einem kurzen Überblick möchte ich nun den weiteren Ablauf des Referates vorstellen:

Daten zum Kanton Bern

Zuerst muss ich noch kurz ein paar Begriffe erläutern. Der stationäre Bereich - als Gegenpol zum ambulanten Bereich - wird in den Akut- und den Langzeitbereich aufgeteilt. Im folgenden werden wir vor allem den Akutbereich betrachten, da die meisten Reorganisationsideen dort ansetzen. Es mag zu Beginn so aussehen, als ob die Spitalplanung und die Spitalfinanzierung zwei unterschiedliche Themen und Aufgaben darstellen. Hier kann aber gesagt werden, dass das Kontroll- und Steuerungssystem des Kantons genau aus diesen beiden Instrumenten besteht. Der Kanton Bern hat also alles Interesse daran, beide Standbeine zugleich einer Reform zu unterziehen, um eine möglichst hohe Wirkung seiner Spitalorganisation zu erzielen.

Verfolgt man nun die Spitalstruktur des Kantons Bern in der Geschichte zurück, kann man feststellen, dass diese im 19. Jahrhundert wurzelt. Diejenigen Kranken, denen ein Transport in das kantonale und heutige Universitätsspital "Insel" z.B. aus finanziellen Gründen nicht möglich war, wurden wenn immer möglich vor Ort in sogenannten Krankenzimmern gepflegt. Diese Krankenzimmer entwickelten sich im Laufe der Zeit zu den heutigen 21 Bezirks- und 7 Regionalspitälern, die über den ganzen Kanton Bern verteilt sind. Ein massiver Ausbau der Spitalkapazitäten erfolgte um die Jahrhundertwende und vorallem in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Die grosszügige Versorgung auch der Randregionen spiegelt sich denn auch in entsprechenden Zahlen wider: Der Kanton Bern verfügt mit einer Einwohnerzahl von rund 943'000 Einwohnerinnen über 5'250 Akutbetten. Dies entspricht einer Bettendichte von rund 5,6 Akutbetten pro 1'000 Einwohner. Zum Vergleich: Die Bettendichte im schweizerischen Durchschnitt beträgt rund 6,5 Akutbetten pro 1'000 Einwohner. Aufgrund der speziellen Struktur des Kantons Bern (grosser Landkanton) bedingt obiger Wert eine grosse Anzahl von Spitälern. Die Kosten der öffentlichen Hand für das Spitalwesen im Kanton Bern beliefen sich in den letzten Jahren auf rund 470 Mio. Fr.; davon entfielen rund 60 % auf den Kanton, der Rest auf die Gemeinden.
 
 

Bisherige Spitalfinanzierung und ihre Problematik

Hauptmerkmal der bisherigen Spitalfinanzierung ist die Defizitdeckung durch den Kanton ohne gleichzeitig gross Einfluss auf einzelne Spitäler ausüben zu können. Dadurch werden auf Anbieterseite falsche Anreize gesetzt: kosteneffizientes Verhalten ist aufgrund fehlender Konsequenzen nicht erforderlich. Betrachten wir die Finanzierung nun ein bisschen genauer: Gemeinden müssen sich zu einem Spitalverband (SV) zusammenschliessen und betreiben über diesen gemeinsam ein Regional- oder Bezirksspital. Der SV setzt nun eine Spitalverwaltung ein und entscheidet über Investitionen, die aber zum grössten Teil durch den Kanton subventioniert werden. Abstimmungsuntersuchungen bestätigen, dass Investitionsentscheide vom Souverän grosszügig genehmigt werden. Für den ordentlichen Betrieb des Spitals verbleibt in aller Regel nach Abzug der Entgelte von Patienten bzw. deren Versicherer ein Betriebsdefizit. Dieses wurde bis 1993 automatisch zu 60 % durch den Kanton Bern getragen. Eine Änderung des Spitalgesetzes erlaubte eine geringfügige Einflussnahme seitens des Kantons: die Defizitgarantie kann nun zwischen 53 - 68 % schwanken, wobei kostenbewusstere Spitäler einen höheren Anteil erhalten. Das Hauptproblem bleibt jedoch bestehen: Der Kanton Bern bezahlt, ohne grossen Einfluss auf Investitionsentscheide und Betriebskosten ausüben zu können.
 
 

Reformgründe

Folgende drei Gründe bewirkten hauptsächlich Reformen im Gesundheitswesen des Kantons Bern:

1. Kantonsfinanzen und Spitzenmedizin

Die Stagnation des wirtschaftlichen Wachstums und die dadurch überdurchschnittlich wachsenden Staatsdefizite (die BEKB lässt grüssen) zwangen den Kanton Bern unter anderem auch zu Sparmassnahmen im Gesundheitsbereich. Aufgrund dessen veranlasste der Regierungsrat des Kantons Bern 1992 eine integrale Überprüfung des stationären Bereichs sowie eine Überarbeitung der Spitalplanung. Dabei wurde ein grosses Sparpotential geortet.

Im Rahmen dieser Überprüfung wurde als ein Kritikpunkt die ausgeprägt dezentrale Spitalstruktur des Kantons Bern zunehmend in Frage gestellt. Dies vor allem aufgrund der Tatsache, dass die heutige Medizin hochkomplexe Technologie und spezifisches Fachwissen voraussetzt. Da jedes Bezirks- und Regionalspital aus gesundheitspolitischen Überlegungen eine möglichst hohe Versorgung - auch für sehr spezialisierte Anwendungen - gewährleisten wollte, stiegen die Kosten ins Unermessliche und es entstand eine Überversorgung. Der Gedanken der Abkehr von einer sehr dezentralen Struktur wurde durch die Feststellung begünstigt, dass sich in der Mehrheit der Bezirke nur etwa 50 Prozent der Patienten im nächstgelegenen Spital behandeln liessen. Weiter ergab die Überprüfung bei der Anzahl Spitalbetten, besonders im Akutbereich, einen nicht unerheblichen Kapazitätsüberhang.

Die Überversorgung und der Kapazitätsüberhang konnten und können nicht mehr über die Steuereinnahmen finanziert werden, wodurch die Forderung nach neuen Planungs- und Finanzierungssystemen laut wurde. In diesem Zusammenhang gilt zu beachten, dass der Steuerzehntel auf den Staatssteuern, der der Spitalfinanzierung dient, nur noch 1999 erhoben werden kann.

Dem dadurch erkannten Handlungsbedarf wurde im Kanton Bern mit der Lancierung zweier Projekte im stationären Bereich Rechnung getragen. Das eine Projekt befasst sich seit 1993 mit neuen Finanzierungssystemen in Akutspitälern. Das andere hat die Neuorganisation und somit eine neue Aufgabenteilung Kanton-Gemeinde in der Spitalversorgung zum Gegenstand.

Ähnliche strukturelle Probleme wie der Kanton Bern haben beispielsweise auch die Waadt und der Kanton Zürich. Im Kanton Zürich hat das Obergericht die vom Regierungsrat verordnete Streichung von 5 Bezirksspitälern aus der kantonalen Spitalliste kürzlich abgesegnet. Dies bedeutet nun die definitive Schliessung der Akutabteilungen dieser Spitäler innerhalb der nächsten sechs Monaten.
 
 

2. Dringliche Bundesbeschlüsse (dBB) von 1992

Schon vor 1992 gab es zahlreiche dBB, die das Gesundheitswesen betrafen. Sie wurden erlassen, da die letzte Gesetzesrevision über die Gesundheitsversorgung auf das Jahr 1964 zurückgeht. Wie so oft handelte es sich bei diesen dBB mehr um reaktive, regulative Gesetzeskosmetik als um vorausschauende Erlasse. Ich beschänke mich in der Folge nur auf die dBB 1992, da diese in Verbindung mit der desolaten finanziellen Lage des Kantons Bern Auslöser der Reformen waren. Für uns interessant ist folgender Aspekt: In den dBB 1992 wurden die Spitaltarife, die bisher von den Kantonen erlassen wurden, plafoniert. Zudem wurde anstelle der Kantone neu der Bundesrat als Schlichtungsstelle für Tarifstreitigkeiten zwischen Kantonen und Versicherern eingesetzt. Somit konnten die Kantone nicht mehr automatisch die Kosten auf die Versicherer und folglich auf die Prämienzahler überwälzen, sondern mussten vermehrt Spitaldefizite selber tragen und vor ihren Steuerzahlern verantworten. Auf diese Weise wurden Anreize gesetzt, kostendämmende Massnahmen im kantonalen Gesundheitswesen zu ergreifen.
 
 

3. Das neue KVG

Das revidierte Krankenversicherungsgesetzes (KVG), das am 1.1.1996 in Kraft getreten ist, bringt für die Kantone einige Neuerungen bezüglich der Planung und Entschädigung von Spitälern.

Als erste grundlegende Änderung ist anzuführen, dass die Kantone seit der Revision erstmals eine Spitalplanung für eine bedarfsgerechte Versorgung vornehmen müssen, wobei private Trägerschaften in die Planung einzubeziehen sind. Vor der Revision war eine so umfassende Planung für die Kantone nicht zwingend.

Weiter sind die Kantone verpflichtet, eine sogenannte Spitalliste aufzustellen. Diese Spitalliste wird nach Leistungsaufträgen gegliedert und legt fest, welche Spitäler künftig noch für die bedarfsgerechte Versorgung benötigt werden und welche somit weiterhin Subventionen erhalten. Die Spitalliste dient den Kantonen auch als Führungsinstrument zum Abbau von Überkapazitäten, da nur so viele Spitäler auf die Liste aufgenommen werden, bis gerade der Bedarf gedeckt werden kann.

Als weitere Neuerung ist in der Revision des KVG festgeschrieben, dass die Pauschalen der Krankenkassen für Kantonseinwohner bei öffentlichen und öffentlich subventionierten Spitälern höchstens 50 Prozent der anrechenbaren Kosten je Patient oder je Versichertengruppe in der allgemeinen Abteilung decken. Nicht anrechenbar sind Investitionskosten, Kosten für Lehre und Forschung sowie Kosten aus Überkapazitäten. Wie wir schon gesehen haben, hatten die Kantone bisher die Möglichkeit, einen wesentlichen Teil der Kosten aus Fehlplanungen und Unterbelegungen ihrer Spitäler auf die Krankenkassen abzuwälzen. Somit bestand nur wenig Anreiz zu unternehmerischem Wirtschaften. Mit der 50 Prozent Regel will der Gesetzgeber die effiziente Ressourcenallokation der Kantone fördern.

Der Vollzug des KVGs gestaltet sich hier für den Kanton Bern schwierig, muss doch der zuständige Regierungsrat Bhend immer noch Rücksicht nehmen. Spitalschliessungen in Randregionen bringen politische Komplikationen mit sich. Für 1999 ist jedoch eine reduzierte Spitalliste angekündigt. Zudem sollen die Kantonsbeiträge auf den durchschnittlichen Werten von 1994 - 1996 eingefroren werden. Dies bedeutet, dass die Trägergemeinden eines Spitals für 1999 mit höheren Defizitbeiträgen rechnen müssen. Da die Kantone meist mit der Umsetzung des KVGs in Verzug geraten sind, haben die Versicherer ihrerseits mit einzelnen Anbietern keine Verträge mehr abgeschlossen und diese aus ihren internen Spitallisten gestrichen. In vielen Versicherungsplänen gewähren die Versicherer den Patienten Prämienreduktionen, wenn sie dafür auf die freie Wahl des Leistungserbringers verzichten. Dabei bezahlen Versicherer nur noch Behandlungen derjeniger Anbieter, die auf der kasseneigenen Spitalliste aufgeführt sind.

Auf diese Weise wird auch seitens der Nachfrager Druck auf die Spitäler erzeugt, ihre Leistungen kosteneffizienter anzubieten.
 
 

Das Modell "Partnerschaft"

Den politischen Entscheidträgern wurden verschiedene Modelle bezüglich Neuorganisation des Gesundheitswesens im Kanton Bern zur Behandlung vorgeschlagen. Wir betrachten jedoch nur das Modell "Partnerschaft", das nun auch Schritt für Schritt umgesetzt wird. Welches sind seine Besonderheiten?

Die Grundidee des Modells: dem Kanton alleine wird die Sicherstellung und Finanzierung der stationären Versorgung durch öffentliche oder öffentlich subventionierte Akutspitäler für Patientinnen zugewiesen; die Gemeinden werden aus der Versorgungs- und Finanzierungsverantwortung entbunden.

In diesem Modell ist der Kanton zuständig für die Nachfrage nach und Finanzierung von Spitalleistungen in allgemeinen Abteilungen öffentlicher und öffentlich subventionierter Spitäler. Dazu schliesst der Kanton zeitlich befristete Leistungsvereinbarungen mit inner- und ausserkantonalen Leistungserbringern ab. Auch ist es der Kanton, der für die Gewährleistung einer qualitativ und quantitativ ausreichenden Versorgung zuständig und verantwortlich ist.

Die Gemeinden ziehen sich längerfristig aus der Finanzierung der Spitäler zurück und übernehmen dafür andere Aufgaben vollumfänglich, die im Moment noch zwischen Gemeinden und Kanton aufgeteilt sind. Die Zwangsmitgliedschaft der Gemeinden in Spitalverbänden wird aufgehoben. Im Rahmen des Modells findet eine vollständige Entflechtung der Kompetenzen zwischen den Gemeinden und dem Kanton statt. Dies führt unter anderem auch zu Erleichterungen in Bezug auf die Erstellung der Spitalliste.

Die Spitäler wiederum erhalten wie ein privates Unternehmen alle erforderlichen Kompetenzen. Sie agieren autonom und sind quasi Auftragnehmer des Kantons. Dadurch, dass sie das volle unternehmerische Risiko tragen, sind sie auch für eine ausgeglichene Betriebsrechnung besorgt. Dadurch, dass die Trägerschaften die volle operationale Verantwortung wahrnehmen und sich nicht mehr vom Kanton beeinträchtigen lassen müssen, wird dem Gedanken des "New Public Managements" entsprochen.

Die Finanzierung der Spitalleistungen im Rahmen der Grundversorgung wird von den Versicherern und von der öffentlichen Hand gemeinsam getragen. Für die Deckung der Investitionskosten der allgemeinen Abteilungen ist der Kanton alleine zuständig.

Zu den Auswirkungen, die das Modell in finanzieller und personeller Hinsicht haben wird: Es wird eine Strukturbereinigung erwartet, die der öffentlichen Hand rund 37 Millionen Franken an Einsparungen bringen soll. Wie bereits erwähnt, wird der Kanton langfristig die vollen Kosten tragen, was durch eine Übertragung von anderen Aufgaben an die Gemeinden kompensiert werden soll.

Auf personeller Seite wird ein Reduktion von 560 bis 790 Stellen erwartet, wovon etwa 180 Stellen bis Ende 1999 abgebaut werden sollen.
 
 

Das "Spital Region Oberaargau" (SRO)

Bevor ich das neue Spitalmodell präsentiere, möchte ich kurz auf den Oberaargau und auf seine Spitalversorgung eingehen. Der nordöstlichste Teil des Kantons Bern grenzt an die Kantone Luzern, Aargau und Solothurn und umfasst zwei Amtsbezirke. Der Hauptort ist die Stadt Langenthal mit rund 17’000 Einwohnern. Im Oberaargau finden wir in Langenthal ein Regional- sowie ein Privatspital; in Niederbipp (12 km von Langenthal entfernt), Herzogenbuchsee (8 km) und in Huttwil (15 km) befinden sich je ein Bezirksspital. In den letzten Jahren zeichnete sich aufgrund der Sparanstrengungen ab, dass vorallem Herzogenbuchsee und Huttwil ihre Spitäler verlieren würden. Die Verantwortlichen suchten daher nach Möglichkeiten, dies zu verhindern und die Vorgaben des Kantons gleichwohl zu erfüllen. Findige Regionalpolitiker sahen die Lösung in der Vereinigung der vier bisherigen Spitalverbände. Die Idee des "Spitals Region Oberaargau" war geboren. Was ist nun neu?

Das "Spital Region Oberaargau" wird ab 1.1.2000 als Aktiengesellschaft geführt. Dies bedingt aber noch einer Gesetzesänderung, der der Grosse Rat des Kantons Bern im März 1999 noch wird zustimmen müssen. Das Aktienkapital von 4 Mio. Franken wird dabei anteilmässig auf die 56 Trägergemeinden der vier bisherigen Spitalverbände verteilt. Als Kriterium wird dabei der Wert des jeweiligen Spitals und danach der Gemeindenanteil im entsprechenden Verband herangezogen. Der Gesamtwert aller vier Spitäler wurde von Atag Ernst & Young auf 227 Mio. Franken geschätzt, wobei 125 Mio. Fr. auf das Regionalspital Langenthal entfallen.

Durch die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft soll ein schlanke und straffe Führung möglich werden. Das Management und der 9-köpfige Verwaltungsrat können so rasch auf geänderte Gegebenheiten reagieren. Die neue Organisationsform soll dabei auch eine Neuverteilung der Aufgaben ermöglichen. Kernpunkt ist dabei einerseits die Zentralisierung gewisser Aufgaben in Langenthal (z.B. Gynäkologie und Chirurgie), die Spezialisierung der drei anderen Standorte (z.B. auf die Betreuung Chronischkranker) andererseits.

Ziel ist wie bereits erwähnt die Beibehaltung der bisherigen Standorte zu tieferen Kosten. Das "Spital Region Oberaargau" wird eines der grössten Spitäler im Kanton werden. Man erwartet dadurch eine stärkere Position gegenüber Krankenkassen, dem Kanton Bern sowie dem Nachbarkanton Solothurn, der auch Leistungsvereinbarungen mit Niederbipp abgeschlossen hat. Bei der Umsetzung des Modells "Partnerschaft" wird der Kanton Bern mit dem "Spital Region Oberaargau" Leistungsvereinbarungen abschliessen müssen, gehören ja dannzumal alle Oberaargauer Spitäler zur gleichen Unternehmung. Durch diesen Zusammenschluss entziehen sie sich somit dem gegenseitigen Konkurrenzdruck. Einsparungen sind für den Kanton Bern trotzdem möglich, werden inskünftig ja Leistungen über prospektive Fallkostenpauschalen abgegolten; die Betriebskosten bleiben damit unberücksichtigt. Das "Spital Region Oberaargau" hat also trotz seiner faktischen Monopolstellung im Oberaargau finanzielle Anreize, sein Angebot effizient zu erbringen.
 
 

Schlussbemerkungen

An dieser Stelle möchte ich noch zwei Punkte hervorheben. Zum Ersten sind die Auswirkungen, die die Reformen im Gesundheitswesen im Kanton Bern auf die Gemeinden haben werden, noch nicht abschliessend beurteilbar. Es scheint jedoch, dass sich einerseits finanzielle Mehrbelastungen für die Gemeinden ergeben können und zwar aufgrund tieferer Kantonsbeiträge. Nach vollständiger Umsetzung des Modells Partnerschaft, in dem der Kanton Bern ja alleine die Verantwortung für die Grundversorgung übernimmt, könnten sie sich auch einem schlechteren Angebot gegenüber sehen. In diesem Falle müsste eine Gemeinde oder eine Region ein Spital ohne Kantonssubventionen betreiben, falls das alte Angebot gewünscht wird. Andererseits ist auch denkbar, und das "Spital Region Oberaargau" ist dafür sicherlich ein sehr gutes Beispiel, dass die Gemeinden im Bereich Gesundheitswesen neue Wege beschreiten und neuen Zusammenarbeitsformen eingehen werden, und zwar ohne grössere Qualitätseinbussen für die lokale Bevölkerung.

Zum Zweiten wird m.E. besonders im Gesundheitswesen die regionale/kantonale Zusammenarbeit und Planung durch eine interkantonale oder gar eidgenössische abgelöst werden. Dies ist aufgrund der immer komplexer werdenden Technologie und der damit verbundenen Kosten ein Gebot der Stunde. Skalenerträge lassen sich so sinnvoll realisieren, unsoziale Rationierungen hingegen können vermeiden werden.

Das Gesundheitswesen scheint also ein gutes Beispiel für neue Zusammenarbeitsformen zwischen Gemeinden und/oder Gemeinden und Kantonen zu sein. Vielleicht sind daraus gewonnene Erfahrungen auch die Basis für eine vertieftere Zusammenarbeit unter Gemeinden. Oder in den Worten des SRO-Projektleiters, die er in einer Zeitung geäussert hat: "Heute reden wir über Spitäler, morgen über die Gemeinden".