DIE ZEIT, Nr. 21, 2001

 


 

Die Demut des Tony Blair.

Großbritanniens Premier hatte seinem Volk zu viel versprochen. Jetzt bittet er um ein neues Mandat. Seine Bilanz: "...noch viel zu tun"

 

Von Jürgen Krönig, London.

 

Wer hat sich in den vergangenen vier Jahren der Labour-Regierung mehr verändert? Großbritannien oder sein Premier? Spurlos ist die Zeit in 10 Downing Street nicht an Tony Blair vorübergegangen. Sein Gesicht hat schärfere Züge bekommen, der Haaransatz geht zurück, und Blairs Markenzeichen, sein jungenhaftes Lächeln, ist rarer geworden. Der Strahlemann des Dritten Weges ist sichtlich älter, auch ein bisschen weiser, vor allem aber bescheidener geworden. 

Fast mit einem Hauch Demut bittet der Premier jetzt das Volk um ein neues Mandat: "Viel geschafft, noch viel zu tun". In diesem Wahlslogan schwingt auch schlechtes Gewissen mit. New Labour hatte anfangs den Mund sehr voll genommen, zu voll: Modern, neu und vernetzt sollte alles sein - die Gesellschaft, die Ökonomie, das gesamte Image des Landes. Die Metaphern der Erneuerung überschlugen sich. Doch die Euphorie des Aufbruchs ist verebbt wie die Aktienkurse der New Economy, jener "gewichtslosen Wirtschaft", die von den Herolden New Labours emphatisch als die Zukunft beschworen worden war. 

Ernüchterung macht sich breit. Blairs "New Jerusalem", ein junges, neues Land wurde nicht geboren. Statt von "Cool Britannia" redet die Welt wieder vom altvertrauten britischen Schlamassel: von der furchtbaren Eisenbahn und den schmuddligen Hospitälern, von Landwirtschaftskatastrophen wie Rinderwahnsinn und Maul- und Klauenseuche; beide stehen für das Janusgesicht eines rücksichtslosen, nur auf Effizienz ausgerichteten Fortschritts, dem auch New Labour allzu unkritisch huldigte. Das Inselvolk nimmt die öffentliche Verwahrlosung nicht länger mit dem Gleichmut der stiff upper lip hin. 

Diese neue Ungeduld Labours hat bisher zwar die Chance auf einen erneuten Wahlsieg nicht wirklich beeinträchtigt. Nach wie vor lasten die Briten die meisten Missstände auch vier Jahre nach dem Regierungswechsel noch immer der Privatisierungswut der konservativen Tories an. Gleichwohl hat sich Labour für das Ungemach entschuldigt, was ebenso notwendig wie angebracht war. Denn obwohl die Meinungsumfragen Blair und seiner reformierten Labour-Party täglich aufs Neue fast unanständig große parlamentarische Mehrheiten verheißen, werden der Premier und seine Helfer das bange Gefühl nicht los, es könnte am Ende doch etwas schief gehen. Wiegen sich womöglich zu viele ihrer Anhänger in der trügerischen Gewissheit eines ungefährdeten Erfolgs? Könnten sie deshalb am Wahltag, dem 7. Juni, daheim bleiben? Blair will nicht nur hauchdünn siegen, er will und braucht eine satte Mehrheit im Parlament. Nur dann verfügt er auch wieder über genügend Autorität in Fraktion und Kabinett, um sein Reformprogramm, um das "New Labour-Projekt" fortzusetzen.

So haben in der Dämonologie der Blairites inzwischen Worte wie "Apathie" und "Zynismus" das alte Feindbild der "Kräfte des Konservatismus" abgelöst. Was passiert, so die große Angst, wenn die Briten es den Amerikanern gleich tun und in immer größerer Zahl nicht mehr zur Wahl gehen? Nun ließen sich Abstinenz und politische Gleichgültigkeit auch als Zeichen für allgemeine Zufriedenheit deuten. Doch vermag dies die Labour-Strategen nicht zu beruhigen. Ihre Nervosität in diesen Wochen offenbart eine tief sitzende, historisch begründete Neurose. Bislang hat es die Labour-Partei nicht ein einziges Mal geschafft, die notwendige Mehrheit für eine volle zweite Amtsperiode zu gewinnen. Das erklärt auch ihren Ruf als stupid party der britischen Geschichte: Eben eine Partei, die bislang unfähig war, mit Macht erfolgreich umzugehen. Idealismus, guter Wille und ein Herz für die Schwachen und Armen hatten stets zu Kalamitäten wie Pfundkrise, Kapitalflucht, Inflation und wachsender Verschuldung geführt und eine Wiederwahl verhindert.

Es ist Blairs größte Leistung, diese Gespenster der Vergangenheit verscheucht zu haben. Unter seiner Führung hat sich Labour im Zentrum britischer Politik festgesetzt. Die Partei, die einst auszog, um den Sozialismus zu verwirklichen, präsentiert sich nun als eine Sozialdemokratie, deren Leitmotiv von ökonomischer Effizienz und sozialer Fairness die breiten Mittelschichten der britischen Gesellschaft für sich gewinnt. Der Mann der Neuen Mitte ist Tony Blair, nicht Tory-Chef William Hague, der unpopuläre Rechtspopulist, der mit Steuergeschenken und harter Asylpolitik um Stimmen wirbt. 

Ein Labour-Sieg am 7. Juni wäre für die Linke denn auch ein wichtiges Signal weit über Großbritannien hinaus. Sozialdemokratische Reformer auf dem europäischen Kontinent könnten zuversichtlicher nach vorn blicken. Der Erfolg Blairs würde den Kontrapunkt setzen, auf den die Mitte-links-Regierungen auf dem Kontinent hoffen, als Kontrast nicht so sehr zum italienischen Sonderfall Berlusconi als vielmehr zu George W. Bush, dessen Sieg über die Demokraten die transatlantische Verbindung zwischen Amerikas Regierung und den europäischen "Modernisierern" jäh unterbrochen hat.

Sollten nicht Millionen Briten die Meinungsforscher an der Nase herumgeführt haben, dann wird Blair siegen. Auch weil seine Bilanz sich sehen lassen kann. 

Die Wirtschaft

An erster Stelle steht Blairs gekonntes makroökonomisches Management. It's the economy, stupid (auf die Wirtschaft kommt's an)- dieser Grundsatz der seinerzeitigen Clinton-Kampagne gilt auch in Großbritannien. Die Leistung des Schatzkanzlers Gordon Brown, des intellektuellen Kopfes und starken Mannes der Labour-Regierung, wird nicht dadurch geschmälert, dass die Fundamente für die wirtschaftliche Genesung des kranken Mannes in Europa in den Jahren der neokonservativen Revolution gelegt wurden. Blair hat sich nie gescheut, die erfolgreichen Seiten der Ära von Margaret Thatcher zu loben und deren "wesentliche Elemente" beizubehalten. Damit meinte er vor allem das Ende der destruktiven Gewerkschaftsmacht und die Wiederkehr einer dynamischen Unternehmenskultur. 

Gewiss war auch Glück mit im Spiel. New Labour profitierte von der günstigen Weltkonjunktur der neunziger Jahre. "Jedenfalls haben sie nichts verschlechtert", lobte, wenngleich unterkühlt, Ferdinand Mount, Mrs. Thatchers früherer Chefberater, die Arbeit von New Labour. Auch andere Konservative räumen ein, dass Blair & Co. aus insgesamt günstigen Umständen das Beste gemacht haben. Wichtige Entscheidungen, allen voran die Unabhängigkeit der Bank von England, haben sich auch als richtig erwiesen. Die Zinspolitik wurde entpolitisiert und zugleich das alte Vorurteil widerlegt, eine Labour-Regierung bedeute zwangsläufig steigende Preise. Selbst der besonders von links heftig attackierte Beschluss, in den ersten beiden Regierungsjahren kein Füllhorn staatlicher Wohltaten auszuschütten, vielmehr im engen Korsett konservativer Finanzplanung zu verharren, war notwendig. Er diente nicht nur als Demonstration finanzpolitischer Solidität, sondern erlaubte die drastische Reduzierung staatlicher Verschuldung. Allerdings zahlte New Labour dafür einen politischen Preis. Die anfängliche Knausrigkeit verhinderte schnelle, kräftige Finanzspritzen, um den maroden Zustand der britischen Infrastruktur zu verbessern. Erst jetzt fließen Milliarden in Gesundheit und Transport - zu spät, um die Briten noch vor dem Wahltermin zu beeindrucken. Die selbst auferlegte Sparsamkeit war jedoch die Grundbedingung der Erneuerung. Ohne sie hätte es auch keine Renaissance der britischen Linken gegeben. 

Die Ergebnisse von Labours Wirtschafts- und Finanzpolitik können sich sehen lassen: Stetiges Wachstum, die niedrigste Arbeitslosenzahl seit 1975 mit knapp unter einer Million; die geringste Inflationsrate seit 30 Jahren und nicht zuletzt über eine Million neuer Arbeitsplätze. Vorerst macht New Labour den Konservativen den Ruf größerer ökonomischer Kompetenz erfolgreich streitig. Die Unternehmen maulen zwar über wachsende Regulierung und Kosten, etwa als Folge des neuen gesetzlich verankerten Mindeststundenlohns. Das hält Wirtschaftsführer und Topmanager jedoch nicht davon ab, sich öffentlich für Tony Blairs Wiederwahl auszusprechen. 

Der Sozialstaat

Die Wohlfahrtsreform, obwohl noch Stückwerk, ist ein weiteres Plus in der Bilanz. Die gesamte Stoßrichtung wurde verändert. Aus Steuer- und Sozialpolitik hat Gordon Brown ein System geschmiedet, das Arbeitswillige ermutigt, Drückebergern schärfer auf die Finger klopft und den so genannten working poor, deren Einkommen kaum zur Deckung der Grundbedürfnisse reicht, einen höheren Verdienst garantiert. Natürlich half auch hier die günstige Konjunktur.

Eines der insgesamt fünf Versprechen New Labours war das "Wohlfahrt-zur-Arbeit-Programm". Mit ihm wollte man 250 000 jugendliche Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt eingliedern. Das war teuer, aber verhalf 60 000 schwierigen jungen Menschen zu einem Job. Der Rest hätte wohl auch so einen Arbeitsplatz gefunden. Ausgerechnet New Labour, bei Linken als hartherzig und neoliberal verschrien, hat den Mindestlohn gesetzlich verankert. In vier Jahren hat die einstige Arbeiterpartei den Sozialstaat kräftiger reformiert "als die Tories in 18 Jahren", schrieb Anatol Kaletzky, Kolumnist der konservativen Times. Zugleich sorgten Blair und Brown mehr als jede Labour-Regierung seit 1945 für Umverteilung. Die Statistik belegt, dass binnen vier Jahren 1,2 Millionen Kinder über die Armutsschwelle gehoben wurden. Die Realeinkommen der unteren 10 Prozent der Bevölkerung stiegen in diesem Zeitraum um 9,3 Prozent, während die der oberen 10 Prozent um 0,7 Prozent sanken. 

Gleichwohl konnte Labour nicht verhindern, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klafft. Blair reagierte darauf mit einem schwungvollen Bekenntnis zu Chancengleichheit und leistungsfördernder Gesellschaft. Ob die "selbstsüchtige Mehrheit" stillhält, wenn "untalentierte Kinder" aus gut situierten Mittelschichtsfamilien "sozial absinken" würden - so ein Diskussionspapier aus dem Dunstkreis des Premiers zu den unvermeidbaren Folgen einer wirklich konsequenten meritokratischen Politik -, darf bezweifelt werden. Bislang hat Middle England das social engineering, die Sozialpolitik zu ihren Lasten hingenommen. Dazu gehören die Abschaffung steuerlicher Freibeträge, die Erosion einst universaler Sozialleistungen wie des Kindergelds und sozial gestaffelte Universitätsgebühren. Die Geduld der Mittelklasse ist wohl damit zu erklären, dass fallende Hypothekenzinsen und wachsende Einkommen diese Verluste mehr als ausglichen haben.

Vielen britischen Traditionslinken ist New Labours Politik ein Graus. Erst bezweifelten sie, dass die Regierung Blair überhaupt ein Herz für die Armen habe, nun maulen sie, weil Labour die guten Taten nicht herausposaunt. Schließlich hat die Regierung das Kunststück vollbracht, Geld zu verteilen, ohne dabei an der Schraube der Einkommensteuer zu drehen. Der Premier hat versprochen, auch in der zweiten Amtsperiode auf eine höhere Einkommensteuer zu verzichten. Im Kabinett stieß diese Ankündigung auf Widerstand. Denn wenn die Haushaltsüberschüsse nicht mehr ausreichen, um die fulminanten Kosten für eine Reform der Gesundheits-, Verkehrs- und Bildungssysteme zu finanzieren, wird die Regierung vor der schwierigen Entscheidung stehen: entweder weniger Ausgaben oder höhere Steuern.

Es wäre besser gewesen, diese Frage offen zu lassen, zumal es New Labour gelungen ist, die Konservativen in der Debatte über Steuern und staatliche Ausgaben in die Defensive zu drängen. Denn auch die versprechen, nach einem Wahlsieg viel Geld für die öffentlichen Dienstleistungen auszugeben. Außerdem wollen sie die Steuern senken. Nach vier Jahren Opposition finden sich die Tories in einer ungewohnten Rolle wieder. Sie müssen erklären, woher sie das Geld für ihre Steuerkürzungen nehmen werden. Wollen sie etwa weniger Lehrer, Krankenschwestern oder Polizisten einstellen? 

Hinter dem Steuerstreit offenbaren sich die unterschiedlichen "Visionen" von Labour und Konservativen über die Rolle des Staates, über seine Finanzen sowie über die Qualität öffentlicher Dienstleistungen. New Labour scheint dabei noch nicht einmal voll erkannt zu haben, wie sehr im Mutterland der Privatisierung die Stimmung umgeschwungen ist. Schlechter Service, notorisches Chaos und obendrein zahlreiche Unfälle der privatisierten Bahnen zeigen Wirkung. Heute fordern zwei Drittel die Wiederverstaatlichung der Eisenbahn. Blair und Brown aber misstrauen der Reformfähigkeit des öffentlichen Sektors und haben in den vergangenen vier Jahren viele Bereiche weiter privatisiert.

Das Bildungssystem. Auch in vielen Schulen haben private Gesellschaften das Management übernommen. Zwar vermochte New Labour sein Versprechen kleinerer Klassen nicht mehr rechtzeitig vor der Wahl einzulösen - in den Grundschulklassen werden erst im Herbst weniger als 30 Schüler unterrichtet werden. Dennoch hat sich vieles zum Besseren gewendet: höhere Leistungen und qualifiziertere Examen. Vor allem sind die Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen gestiegen. Die Lehrergewerkschaften laufen zwar Sturm gegen Papier- und Testflut und wehren sich gegen die Einführung leistungsbezogener Gehälter für besonders erfolgreiche Lehrer und Direktoren. Doch Erziehungsminister David Blunkett ist ein Star im Kabinett und darf mit seiner Beförderung rechnen. 

Jetzt, kurz vor der Wahl, schlachtete New Labour außerdem noch eine heilige Kuh der Linken: Die Gesamtschule hat ausgedient. Blair hielt sowieso nicht viel von ihr. Progressive Erziehungsmethoden, sagt man in New-Labour-Kreisen im Gleichklang zu konservativen Bildungspolitikern, hätten ein Heer von Halbanalphabeten hervorgebracht und trügen indirekt gar Mitschuld an der wachsenden Jugendkriminalität. 

Die Kriminalität

Nicht erfüllt hat Blair ein weiteres Versprechen: die Zeitspanne zwischen der Straftat eines Jugendlichen und dem Gerichtstermin zu halbieren. Sie wurde lediglich verkürzt. Auch sonst ist die Law-and-Order-Bilanz durchwachsen. Die Zahl aller Delikte ist zwar um zehn Prozent gesunken, aber die Gewalttaten haben zugenommen. "Hart gegen Verbrechen, aber auch hart gegen die Ursachen von Verbrechen" - so lautete die griffige Parole, mit der sich Blair den Bürgern empfahl. Mit etwas gutem Willen lässt sich sagen, Blair hat mit seiner Politik versucht, einige Ursachen von Kriminalität zu bekämpfen: die Maßnahmen gegen Kinderarmut, Einführung von Mindesteinkommen, der neue Arbeitsethos der Sozialpolitik, aber auch gezielte Förderungsmaßnahmen in besonders problematischen Wohnvierteln, wo vier von fünf Müttern alleinerziehend sind und Kinderbanden ihre Umgebung terrorisieren. Gefragt nach einer Bewertung der unterschiedlichen Sozialprogramme, kann man im Augenblick nur die klassische Antwort auf die Wirkung der Französischen Revolution geben: "Es ist noch zu früh für ein Urteil."

Die Performance

New Labour wird oft vorgehalten, bei ihr sei all spin, no substance - mehr Schein als Sein. Das ist übertrieben. Aber ihr manischer Drang zur Geschlossenheit, ihre autoritären Reflexe, die anfangs keine Abweichung dulden mochten, ist ebenso irritierend wie ihre oft blauäugige Bewunderung von Figuren aus dem Big Business. Und ausgerechnet die Präsentation des Scheins erwies sich als einer der großen Schwachpunkte dieser Regierung, deren Chef in seinen schwachen Momenten eine fatale Neigung hat, sich von Fokusgruppen, Umfragen und Schlagzeilen beeindrucken zu lassen. Hätte Labour den Mund nicht zu voll genommen und sich mit Versprechungen zurückgehalten, müsste sie sich heute nicht dem Vorwurf aussetzen, zu wenig geleistet zu haben. Eine kluge Regierung mit wirklich geschickten Managern hätte sich das erspart. 

So passt es ins Bild, dass ausgerechnet der viel gerühmte "Spindoctor" Peter Mandelsohn, "Prinz der Dunkelheit", letztlich wegen einer Lappalie gescheitert ist. Die bitteren persönlichen Fehden zwischen ihm und Gordon Brown haben einen Schatten auf die Regierung geworfen. Sie vergifteten das Klima in König Tonys Camelot, wo zu viele Höflinge um die Gunst des Herrschers buhlen. Auch Blairs Beziehung zu seinem mächtigen Schatzkanzler ist eine Hassliebe. Ihr von verdeckten Konflikten und Konkurrenz geprägtes Verhältnis gleicht einem schlummernden Vulkan. Er könnte jederzeit ausbrechen und die Regierung unter glühender Lava begraben. 

Am Glanz von Labour haben auch einige Skandale gekratzt. Zu großspurig war das Versprechen, "weißer als weiß" zu sein und niemals Schmuddelkram zu dulden. Wer Spenden kassiert, ob von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone oder von indischen Multimillionären, der darf sich nicht wundern, wenn er wie einst die Konservativen am Pranger steht. Allzu naiv, mit der Verve von Konvertiten, hat New Labour das Big Business umarmt und Wirtschaftsführer wie Lord Simon von der Ölgesellschaft BP in die Regierung geholt. Alles in allem aber hat sich diese Mannschaft einstiger politischer Amateure, zu Beginn sichtlich unbeleckt von jeglicher Regierungserfahrung, rasch berappelt und dazugelernt. Bezeichnend ist, dass selbst die bittersten Kritiker Blairs ihm nie die Eignung zum Premier absprachen. Sogar für den unwahrscheinlichen Fall einer Wahlniederlage muss man es Blair lassen: ein Denkmal hat er sich bereits gesetzt: die radikale Umstrukturierung des britischen Staates, samt Autonomonie für die keltischen Ränder. 

Welche Folgen das hat, ob das Vereinigte Königreich auseinanderbricht oder vor einer neuen föderalen Zukunft steht, vermag im Augenblick niemand voraus zu sagen. Doch Tony Blairs Nachfolger werden mit diesem Erbe leben müssen.

 


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