Weltwoche, 17.2.2000 |
Die Freisinnige Partei hat leere Kassen. Unternehmer sollen als neue Geldgeber gewonnen werden. Doch die wollen Resultate sehen
Von Christian Mensch
Einen neidvollen Blick wirft GeneralsekretŠr Johannes Matyassy auf die InteressenverbŠnde
von umweltbewegt links-alternativ bis patriotisch rechts-konservativ. Jeder
Einzelne von ihnen hat mehr Geld fŸr politische Agitation in der Kasse als seine
FDP, die einstige Wirtschaftspartei schlechthin. Bei einem jŠhrlichen Umsatz
von rund 2,6 Millionen Franken ist das Vermšgen null. Nach den Wahlen im Oktober
vergangenen Jahres klafft gar ein Loch von 150 000 bis 200 000 Franken. Budgetiert
waren weder die Anzeigenkampagne gegen die SVP eine Woche vor dem Urnengang,
als Blochers Brief an den Holocaustleugner JŸrgen Graf zum Vorschein gekommen
war, noch die zahlreichen zweiten WahlgŠnge mit FDP-Beteiligung um StŠnderatssitze.
Unerfreuliche Folge fŸr die Nationalpartei ist ein verordnetes Sparbudget obwohl
zuvor der permanente Wahlkampf versprochen und zusŠtzlicher Finanzbedarf angemeldet
worden war. Erste Schritte zur finanziellen Gesundung der einst vermšgendsten
Partei der Schweiz sind eingeleitet. So hat die Delegiertenversammlung am 22.
Januar dem Begehren zugestimmt, die Zahlungen der Kantonalparteien an die Zentrale
zu verfŸnffachen. Heute gehen von neunzig Franken, die beispielsweise die 2200
StadtzŸrcher FDP-Mitglieder jŠhrlich entrichten, vierzig an die kantonale Partei
und nur gerade ein Franken an die FDP Schweiz. Dabei sind die ZŸrcher ausserordentlich
grosszŸgig: Durchschnittlich landen sonst nur gerade mickrige 13 Rappen pro
FDP-Mitglied und Jahr in Bern.
Der bewilligte Ertragssprung von 24 000 auf 120 000 Franken auf dem Buckel der Kantonalsektionen vermag die FDP jedoch nicht zu sanieren. Auch die paar 10 000 Franken, die zusŠtzlich aus der Fraktions- in die Parteikasse fliessen sollen, reichen nicht fŸr den wirtschaftlichen Turnaround. Von den 700 000 Franken, die der Bund den eidgenšssischen FDP-Parlamentariern ausrichtet, erhŠlt die GeschŠftsstelle der Partei derzeit zwischen 500 000 und 550 000 Franken. Verrechnet werden damit Arbeiten und Dienstleistungen, die fŸr die Fraktion geleistet werden. ÇEin ZuschussgeschŠftÈ, klagt Matyassy, der auf eine Aufstockung der FraktionsbeitrŠge drŠngt. ÇUnsere Sponsoren mŸssen die parlamentarische Arbeit quersubventionieren.È
Die Sponsoren sind deshalb weiterhin und immer stŠrker gefordert. Zusammen
mit den MandatstrŠgern tragen sie siebzig Prozent der Aufwendungen ö so viel
wie in keiner anderen Bundesratspartei. Dabei sind die Abgaben der Politiker,
die dank ihres Parteibuches in Amt und Verdienst stehen, anders als etwa bei
den Sozialdemokraten, minim und streng ÇfreiwilligÈ. Nur einige kleinere Kantonalparteien,
die sich mangels zahlungsbereiter Firmen und Privater nicht anders zu helfen
wissen, nehmen ihre verdienenden Politiker in die Pflicht. Doch dass sich die
Partei vermehrt Ÿber finanziell potente MandatstrŠger finanzieren kšnnte, ist
bei den Freisinningen striktes Tabu.
Die Unternehmer, auf die die FDP wie keine andere Partei angewiesen ist, haben
aber immer weniger Interesse daran, ˆ fonds perdu in parteiliche Infrastrukturen
zu investieren: Sie wollen fŸr ihr Geld politische Resultate sehen. Dem trŠgt
die FDP seit dem 1.1.2000 Rechnung. Sie hat mit Andreas MŸller einen Projektverantwortlichen
angestellt, der als ehemaliger Mitarbeiter der Schweizerischen Zentrale fŸr
Handelsfšrderung Ÿber direkte DrŠhte in die Wirtschaft verfŸgt. MŸller hat den
Auftrag, die Interessen potenzieller Geldgeber auszuloten, diese sofern mit
den Leitlinien der FDP vereinbar in politische Kampagnen zu fassen und der Parteispitze
entsprechende Projekte inklusive gesicherter Finanzierung vorzulegen. FŸr die
Wirtschaft eine politische Dienstleistung ˆ la carte.
Ein erstes Beispiel fŸr die neue Strategie ist die ÇSteuer-Stopp-InitiativeÈ.
Das Anliegen, so Matyassy, sei von Wirtschaftskreisen immer wieder an die Partei
herangetragen worden. Das Projekt sei politisch angeschoben, nun werde mit den
Partnern die finanzielle Seite geregelt. In wessen Sold und Auftrag die FDP
die Initiative vorantreibt, will der FDP-GeneralsekretŠr nicht verraten. Er
sei der Einzige, der die †bersicht habe, wer wie viel in die Parteikasse zahle,
und das sei gut so. Mehr Transparenz wŸrde nur die UnabhŠngigkeit der Mitarbeiter
in der GeschŠftsstelle und die Politiker in Exekutive und Legislative beeintrŠchtigen,
erklŠrt der GeneralsekretŠr. Doch im ÇSystem MatyassyÈ lasse sich die FDP von
der Wirtschaft nicht kaufen, verneint der FunktionŠr den naheliegenden Verdacht.
Bestes Beispiel dafŸr sei der Fall Credit Suisse, die der FDP wegen missliebigen
Verhaltens sogar bereits versprochene 100 000 Franken versagt hat. So lange
dies der einzige und einmalige Liebesentzug bleibt, ist der entgangene Betrag
gut in die GlaubwŸrdigkeit der FDP als unabhŠngige Partei investiert. Denn die
FDP hŠngt am Tropf von Grossinvestoren: So gibt beispielsweise die FDP des Kantons
ZŸrich auf Anfrage der ÇWeltwocheÈ an, sie erhalte jŠhrlich rund 350 000 Franken
an Spenden und Zuwendungen, wovon die fŸnf gršssten EinzelbetrŠge zwischen 50
000 und 100 000 Franken lŠgen. Rechne!
Kein Wunder, verwahrte sich der ZŸrcher FDP-KantonalprŠsident Martin Vollenwyder
Anfang Februar im Kantonsrat vehement gegen das Ansinnen der Linken, dass Spenden
Ÿber 15 000 Franken der Staatskanzlei zu melden seien. Die wichtigste Einnahmequelle
der ZŸrcher FDP wŠre gŠnzlich offen gelegen.
Unternehmer mit Zugang zu firmeneigenen Reptilienfonds sollen in Zukunft als
potenzielle Geldgeber von der FDP noch besser gepflegt werden. Ein Konzept,
das neben gršsseren Wirtschaftsmeetings auch exklusive ÇEventsÈ fŸr die SpitzenkrŠfte
der Wirtschaft vorsieht, ist in Ausarbeitung. ÇDa wird natŸrlich nicht in erster
Linie Ÿber Geld gesprochenÈ, sagt Matyassy. Die FDP wolle vielmehr Çeinen Mehrwert
fŸr Manager schaffen, den diese spŸrenÈ. Als eigentlicher Geldbeschaffer und
Strippenzieher in die Wirtschaft fungiert weiterhin alt Nationalrat Ulrich Bremi,
der als eines seiner letzten Mandate die Finanzkommission der Partei prŠsidiert.
Die FDP ist mittlerweile nicht mehr die einzige bŸrgerliche Partei, die auf den Geschmack des Wirtschaftsgeldes gekommen ist. Die CVP baggert die kleinen und mittleren Unternehmen an, und die SVP hofiert der Wirtschaft bis zur Selbstverleugnung, wie die vornehme ZurŸckhaltung zu den bilateralen VertrŠgen zeigt. Doch der Wettbewerb, so Matyassy, spielt. Wenn SVP-PrŠsident Ueli Maurer in der ÇWeltwocheÈ vom 10. Februar behaupte, er erhalte 150 000 Franken aus CVP- und FDP-Kreisen, kšnne er nur sagen: ÇDie FDP erhŠlt ein Mehrfaches davon mit dem ausdrŸcklichen Auftrag der SVP Paroli zu bietenÈ, so Matyassy. Um zu gesunden, ist die FDP auf das Anti-SVP-Geld dringend angewiesen.