Weltwoche, 17.2.2000

 


 

Nicht so viel, dafür rasch und vor allem diskret

Die Parteien wollen 1,5 Millionen mehr vom Bund, nicht mit einem neuen Gesetz, sondern via Fraktionsbeitrag

Von Urs Paul Engeler

Die Zuwachsraten seit Mitte der siebziger Jahre sind gewaltig: ein Plus von 420 Prozent in der nationalen CVP-Kasse, die Steigerung von 440 Prozent für die SP, eine Versiebenfachung gar des Budgets der SVP. Die Hälfte aller Kantonalsektionen meldet, man staunt, ihre finanzielle Situation habe sich in den letzten Jahren real verbessert. Nach Erhebungen des Berner Politologen Michael Brändle setzten die politischen Parteien der Schweiz im Wahljahr 1999 insgesamt "mehr als 60 Millionen Franken" Bares um. Zu wenig, finden die Funktionäre.

Im Herbst noch waren sich die Generalsekretäre der vier Bundesratsparteien einigermassen einig. Die Berner Zentralen, die mit Budgets zwischen 1,4 (SVP) und 3,2 Millionen Franken (SP und CVP) arbeiten, wollten sich grosszügiger mit Finanzen ausstatten lassen, und zwar nicht von privaten Sponsoren oder von der Wirtschaft, sondern direkt vom Staat. Selbst die SVP zahlte ihren Viertel der 20 000 Franken für die diskret angefertigte Studie der Politologen Andreas Ladner und Michael Brändle die prompt die erwarteten Resultate anlieferte: Die Parteien, meinten die Wissenschaftler, gingen hierzulande am Bettelstab und seien mithin vom Staate zu stützen für ihre Leistungen auf den Gebieten Information, Bildung, Forschung und Schulung des Nachwuchses. Der Bericht favorisiert ein "Tax Checkoff" genanntes Modell; danach könnte jeder Bundessteuer-Zahler per Markierung die Verwaltung anweisen, einen Teil der Abgaben in einen Parteienfonds zu leiten.

Wie viele Millionen es konkret sein sollen, steht zwar nicht in dieser parteilichen Argumentationshilfe, doch Koautor Brändle hält die Verdoppelung der heutigen Budgets für angezeigt, "damit die Parteien ihre zentralen Funktionen abdecken können". Als "Zusatzbedarf" ortet er eine Summe "zwischen fünf und zehn Millionen Franken". Der Aufwand für deren Einziehung wurde nicht berechnet.

Wenn sich die Generalsekretäre am Freitag wieder treffen, um den momentanen Stand ihrer Idee zur Bundesgeldbeschaffung zu diskutieren, so können sie vorab das Scheitern des Plans konstatieren. Allein die Sozialdemokraten verkünden noch, getreu ihrer tradierten Devise, wonach jeder Franken für den Staat und jeder Franken vom Staat ein guter Franken sei, die tabuisierte "Debatte neu aufzugleisen und mehrheitsfähige Lösungen zu suchen". Die SVP hat apodiktisch erklärt, dass sie jeden Versuch eines Griffs in die Bundeskasse vehement bekämpfen werde.

Zwischen diesen ideologisch unverrückbaren Polen verlegt sich FDP-Generalsekretär Johannes Matyassy aufs "Realistische und Rasche", auf die fixe Aufstockung der Beiträge für die Fraktionen. Zurzeit werden die parlamentarischen Gruppen mit einem Sockelbeitrag von 60 000 Franken und mit 11 000 Franken für jeden Parlamentarier ausgestattet, also mit rund drei Millionen jährlich. Matyassy will nun den Grundbeitrag "mindestens verdoppeln" und die Zahlungen pro Sitz "kräftig, um etwa 5000 Franken, erhöhen". Was den Fiskalminister Kaspar Villiger (FDP) gegen 1,5 Millionen Franken kosten und den vier grossen Parteien Mehrerträge von je rund 300 000 Franken bringen wird.

Da auch die CVP mitmacht, die zwar den Bundesapparat hauptsächlich für direkte Sach- und Dienstleistungen (übersetzungen, Sitzungsräume und dergleichen) nutzen möchte, ist am baldigen Erfolg dieser neuen Finanzbeschaffung nicht zu zweifeln. Vor allem kann die kleine Aufbesserung vom Parlament still in eigener Regie und somit ohne die heikle offene Debatte über Rolle, Nutzen und tatsächliche Arbeit der politischen Parteien beschlossen werden.

Diese von den Freisinnigen forcierte, neuerliche Selbstbedienung im Laufe dieses Jahres wird dazu führen, dass noch mehr Parteiveranstaltungen als "Fraktionsevents" deklariert und weitere indirekte staatliche Hilfen angefordert werden. Und mit ihr endet die uralte Idee, Aufgaben, Leistungen und Abgeltung der Parteien gesetzlich sauber zu regeln, mit dem gleichen Nullresultat wie bereits 1968 (Postulat Leo Schürmann) oder 1971 (Verfassungsartikel EJPD) oder 1977 (Expertenkommission zur Totalrevision der Bundesverfassung) oder in den frühen achtziger Jahren (parlamentarische Initiative Helmut Hubacher und Motion der eidgenössischen Räte). Die kritische Auseinandersetzung mit der Finanzierung von Kandidaten, Komitees, Parteien und andern Interessengruppen und den daraus sich ergebenden Abhängigkeiten wird vertagt: Weil, wo nichts normiert ist, alles schön erlaubt bleibt. Und weil bis jetzt keine Partei glaubwürdig Interesse an grösserer Glasnost bewiesen hat.

Die nette Bitte der Sozialdemokraten

So werden zwar demnächst grossartig und schweizweit "Unternehmensleitungen" von ihren (sozialdemokratischen) Kunden angeschrieben mit der Bitte, allfällige Parteispenden (samt Summe und Empfänger) offen zu legen. Lanciert hat die von der SP Schweiz übernommene Transparenz-Aktion die SP-Sektion Schaffhausen, die ihrerseits auf die grosse "Weltwoche"-Umfrage nach Umfang und Quellen ihrer Geldmittel nicht einmal reagiert hat. Private rote Spender werden datengeschützt. Die vom Konkurs bedrohten Grünen verheimlichen die Namen der Gläubiger, die für lebenserhaltende 100 000 Franken bürgen. Die CVP nennt keine Firmen, keine Summen, keinen katholischen Patron. Wie SVP und FDP gibt sie allein die ungefähre Breite des jährlich von Sponsoren zufliessenden Geldstroms bekannt: rund 1,5 Millionen Franken oder die knappe Hälfte des Budgets. 600 000 Franken (40 Prozent) meldet die SVP, 1,7 Millionen (70 Prozent) die FDP.

So bleiben alle Parteien in ihren eigenen, je speziellen Fesseln gefangen. Die SPS kann, will sie ihre Rechnung in Ordnung bringen, mit ihren Mandatsträgern politisch gar nicht frei umgehen. Die CVP bietet sich der Wirtschaft ungeniert als die entscheidende "Mehrheitsbeschafferin in den Räten" an und wird als verlässliche Partnerin solche Versprechungen wohl auch gelegentlich einlösen. Ohne das (immerhin lokalisierbare) finanzielle Zentrum am Zürichsee müsste die SVP ihren Aktivismus des permanenten Wahlkampfs umgehend stoppen. Die von pekuniären Sorgen getriebene FDP verkauft sich mit ihrem Konzept der "projektbezogenen" Fremdfinanzierung nun ganz ungehemmt den so genannt interessierten Kreisen: Den Namen fürs Komitee geben noch die Freisinnigen; die Herren der Initiative aber sind jetzt die (unbekannten) Geldgeber.

Trotz der in Deutschland und in den Vereinigten Staaten heftig geführten Debatten um Partei- und Personenspenden oder gerade deswegen ist die Diskussion in der Schweiz rasch verstummt. Den Parteien ist es in der Unübersichtlichkeit der vertikal verschachtelten (Orts-, Bezirks- und Kantonalsektion) und bunt gemischten Finanzierung Mitgliederbeiträge, Staatshilfen, Gönnergeld, Wirtschaftsschecks, dunkle Defizitdecker offensichtlich wohl. So wohl, dass sie auf mehr Steuergeld und die damit verknüpfte Transparenz verzichten.


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