Weltwoche 10.2.2000 |
Die SVP ist eine Partei ohne Finanzprobleme ö Offene Rechnungen werden an MilliardŠre weitergereicht. Nun soll auch die nationale Parteizentrale finanziell aufgerŸstet werden
Von Urs Paul Engeler
Nur kurz wŠhrte Panik, dann folgte mit Kraft und aus leerer Kasse mit genŸgend
Geld der Gegenschlag: Als am 17. Oktober, eine Woche vor den eidgenšssischen
Wahlen, der ÇSonntags-blickÈ dem ersten Mann der Schweizerischen Volkspartei
(SVP) und de-signierten Wahlsieger, dem ZŸrcher Nationalrat Christoph Blocher,
NŠ-he zu Auschwitz-LŸgnern vorwarf, brauchte die Partei einen Tag, um den Angriff
mit einer flŠchendeckenden Inserate-Aktion (Motto: ÇEine DreckkampagneÈ) zu
kontern. Am Montagmittag stand das Konzept; am Mittwoch, den 20. Oktober, erschienen
von St. Gallen bis Genf ganzseitige Anzeigen. Obwohl die nationale SVP ihr Wahlbudget
von 350 000 Franken schon gŠnzlich aufgebraucht hatte, war die Finanzierung
nie ein Problem. Die Rechnungen von rund 100 000 Franken, die im Generalsekretariat
in Bern einliefen, wurden kurzerhand an die Kantonalpartei ZŸrich umadressiert
und dort an ÇfŸnf PersonenÈ weitergereicht, die umgehend fŸr die Kosten geradestanden,
bestŠtigt SVP-PrŠsident Ueli Maurer.
Die RŸckversicherung hat zumindest zwei Namen: Christoph Blocher und Walter
Frey, Autoimporteur und PrŠsident der SVP-Fraktion. Und die Nothelfer kšnnen
offenbar nach Belieben bemŸht werden und fast Ÿberall in der Schweiz. Zwar wehrt
der St. Galler Nationalrat Toni Brunner mit Verweis auf seine bescheidenen Aufwendungen
alle umlaufenden GerŸchte ab, Blocher habe dem Ziehsohn aus dem Toggenburg den
Wahlkampf finanziert. Weder mit 100 000 Franken, wie meist behauptet werde,
noch mit 500 000 Franken, wie er auch schon gefragt wurde: ÇBlocher spielt Ÿberhaupt
nicht den guten Gštti.È Allerdings ist der PrŠsident der ZŸrcher SVP auch im
Kanton St. Gallen aktiv, etwa als Magnet fŸr mšgliche Mittelgeber. Wenn 150
zahlungsfŠhige Leute aus Politik und Wirtschaft und die šrtliche Presse sich
am Freitag, den 21. Januar, in Wil zu einem ÇSVP-WirtschaftsforumÈ eingefunden
haben, so wegen Stargast Blocher und seiner Nationalratstruppe: Walter Frey,
Ueli Maurer, Hans Kaufmann und Peter Spuhler (TG) abendliche Entwicklungshilfe,
um auch im Osten das Schwungrad anzuwerfen. Denn Çbisher flossen die Spenden
klŠglichÈ, bedauert Bauer Brunner.
Blocher steuert auch sein Scherflein bei als eines der 79 diskreten Mitglieder
des im letzten Jahr eingerichteten ÇChurfirstenclubsÈ, der Sponsorenvereinigung
der St. Galler SVP. 300 Franken zahlt eine Einzelperson, 500 ein Ehepaar und
1000 ein Unternehmer. Gegen 25 000 Franken schšpft die erst im Aufbau begriffene
Partei jŠhrlich aus dieser frischen Quelle.
Das Modell ist Kopie. Im Kanton ZŸrich generieren die 180 Gšnner des ÇKuratoriums
Blau-WeissÈ (Mindestbeitrag 500 Franken) Jahr fŸr Jahr einen sechsstelligen
Betrag fŸr die in Jahren ohne Wahlen mit Ÿber 1,2 Millionen Franken dotierte
Vereinskasse. Ob der Name nun ÇKuratorium ThurgauÈ, ÇBŠren-Club der SVP Kanton
BernÈ oder ÇStauffacher-ClubÈ in Schwyz lautet der Effekt ist fast landesweit
der gleiche: Der SVP nahe- und beistehende Personen mit Portemonnaie organisieren
sich einen vergnŸglich-geselligen Abend und sorgen fŸr einen sicheren Sockel
der Parteifinanzen.
Noch liegt die Macht bei den Kantonen
Die Gšnner decken bis zu einem Drittel des Budgets ab, so dass die Kassen der
kantonalen SVP-Sektionen wohlgefŸllt sind. Zwar weist die schweizerische SVP
mit 1,4 Millionen Franken nur knapp die HŠlfte der Budgets der anderen Bundesratsparteien
aus, doch in den StŠnden gehšrt die ehemalige Bauern- und Gewerblerpartei zu
den ganz Starken. Im Wahljahr 1999 setzte die SVP ZŸrich gemŠss Budget stolze
2,02 Millionen um, die Berner immerhin knapp 1,4 Millionen. Sie sind damit vor
der CVP Tessin (950 000 Franken) und der SP ZŸrich (910 000 Franken) die potentesten
sŠmtlicher Kantonalparteien der Schweiz. Alle Macht den Kantonen, finanziell
und auch politisch. Immerhin wollen nun PrŠsident Maurer und GeneralsekretŠr
Jean-Blaise Defago die Berner Zentrale zumindest geldmŠssig stŠrken und sie
auf gleiche Hšhe wie die Konkurrenz bringen. Darum soll der Nationalrat und
Bšrsenonkel Hans Kaufmann (ex Bank BŠr) das Çbescheidene VermšgenÈ (Zahlen tabu)
und nicht unmittelbar benštigte flŸssige Mittel gewinnorientiert bewirtschaften,
soll der Abgeordnete und Wirtschaftsberater Bruno Zuppiger (ZH) nach dem Muster
der CVP und FDP regelmŠssige ÇWirtschaftsforenÈ einrichten und soll der ehemalige
Luzerner SVP-PrŠsident Hannes Estermann (Diners Club) als professioneller Fundraiser
wirken. ÇAuf unseren WahlerfolgÈ, sagt Defago, Çreagierte die Wirtschaft sehr
positiv; jetzt hoffen wir, dass Taten folgen.È Zum Beispiel in den Chefetagen
der Credit Suisse, die der Partei bekanntlich eine in Aussicht gestellte Spende
von 50 000 Franken gestrichen hat, weil die SVP die Globallšsung mit den jŸdischen
KlŠgern nicht goutiert hatte. ÇEs laufen GesprŠcheÈ, bestŠtigt PrŠsident Maurer,
Çaber keine Verhandlungen; wir machen unsere Politik und haben es nicht nštig,
als Bittsteller aufzutreten.È
TatsŠchlich ist nirgends ein Klagen zu vernehmen in den SVP-BŸros. ÇWir sind
durchaus zufrieden mit der jetzigen SituationÈ, geht Defago auf deutliche Distanz
zum Projekt der GeneralsekretŠre der Bundesratsparteien, mehr Staatsmittel locker
zu machen. Er setzt auf die grosse Wirtschaft und die kleinen Leute.
So garantieren laut Maurer ÇHunderte von KleinspendernÈ mit †berweisungen von
10 bis 100 Franken, dass die beiden laufenden Volksbegehren (ÇGegen AsylrechtsmissbrauchÈ
und ÇGoldinitiativeÈ) im Rahmen der Budgets von je 220 000 Franken ab-gewickelt
werden kšnnen Çohne dass wir auf Christoph Blocher oder Walter Frey zurŸckgreifen
mŸssenÈ, wie der PrŠsident vorrechnet. Die erste Asyl-Initiative (ÇGegen die
illegale EinwanderungÈ), die vom Volk abgelehnt worden war, hatte Blocher noch
mit rund 300 000 Franken gestŸtzt. Er selbst, der die Partei nur gezielt ÇprojektbezogenÈ
unterstŸtzt, will den Gesamtwert seiner Beihilfen nicht bekannt machen, Çes
sei denn, alle anderen tŠten dies auchÈ. Nur so viel sagt er mit Stolz: Der
Verkauf von CD-ROMs und TonbŠndern mit seinen Reden und Deklarationen habe letztes
Jahr der Partei 12 000 Franken eingebracht.
Geber-Schutz gilt viel bei der SVP. Die Offenlegung der Namen der WohltŠter
und Firmen, die jŠhrlich 600 000 Franken an die Berner BrŸckfeldstrasse Ÿberweisen,
wird unter allen UmstŠnden verhindert. ÇEin Viertel aller Spenden, also etwa
150 000 Franken, stammt von eingeschriebenen FDP- und CVP-Mitgliedern, die mit
der Politik ihrer Partei nicht mehr einverstanden sindÈ, begrŸndet Maurer die
GeheimniskrŠmerei, Çsie zahlen nur unter dem Siegel der absoluten Verschwiegenheit.È
Auch die sieben kantonalen Sektionen, die auf die Umfrage der ÇWeltwocheÈ reagiert
haben, repetieren auf diese Frage knapp: ÇKeine Angaben.È
Nur das Dementi auf ein hartnŠckiges Ondit ist erhŠltlich: Der MilliardŠr Martin Ebner sei kein SVP-Sponsor, weder fŸr die nationale Partei noch fŸr die Innerschweizer Sektionen, sagen Maurer, der Schwyzer PrŠsident Richard Bingissiger und der Luzerner Hannes Estermann. Der Bankier selbst lŠsst durch seinen Abschirmer Patrick Bachmann eine frŸhere Aussage als immer noch gŸltig wiederholen: Er habe nie eine Beziehung zur SVP als Partei gehabt, allein zu einzelnen Exponenten wie dem GeschŠftspartner Christoph Blocher. Gespendet habe er Çab und zuÈ bis die SVP-Fraktion Anfang 1998, als die Nachfolge von Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz zu regeln war, ausgerechnet auf den Neuenburger Claude Frey setzte, der kurz zuvor Ebner šffentlich einen ÇsalaudÈ (Sauhund) gescholten hatte. FŸr den von seinen Geldnehmern Çmenschlich ausserordentlich enttŠuschtenÈ Ebner wŠren weitere Zahlungen darum schlicht ÇgroteskÈ. Die SVP kann's verkraften und wird's auf ihre Versicherung am rechten ZŸrichseeufer vertrauend, als weiteren Beweis fŸr ihre Autonomie gegenŸber den Geldgebern verwenden.