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Nur geschlossen sind wir stark |
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Die Devise der Parteien für die
Nationalratswahlen 1999 |
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Von Andreas Ladner und Michael Brändle*
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Mit Blick
auf die Nationalratswahlen 1999 versuchen die Schweizer Parteien ihre internen
Konflikte zu überwinden und sich ihren Wählerinnen und Wählern
einig und geschlossen zu präsentieren. Der Blick auf die Kantonalparteien
der grossen Parteien zeigt jedoch, dass nach wie vor beachtliche Unterschiede
bestehen. Die in diesem Text vorgestellten Daten stammen aus einem Nationalfondsprojekt
über den Wandel der Schweizer Parteien. Analysiert werden Angaben aus
den kantonalen Parteipräsidien zur politischen Orientierung ihrer
Partei.
Alle
Bundesratsparteien haben in den vergangenen Wochen Anstrengungen unternommen,
ihre parteiinternen Differenzen im Hinblick auf
die Nationalratswahlen 1999 zu bereinigen. Die
SP versuchte am Parteitag in Montreux, einenSchlussstrich
unter die Auseinandersetzungen zwischen
dem pragmatischen und dem stärker basisorientierten
Lager zu ziehen. In der SVP liess
Christoph Blocher persönlich verlauten, dass interne
Auseinandersetzungen über den Kurs der Partei
nicht an die Öffentlichkeit gehören. CVP- Präsident
Durrer forderte im Gefolge seines Parteitages eine grössere Geschlossenheit,
und FDP-Präsident Franz Steinegger präsentierte das Konzept der
«Neuen Mitte», welches sämtliche möglichen Differenzen
zu integrieren versucht. Nur geschlossen
sind wir stark, scheint die Devise zu lauten.
Wie homogen sind aber die Parteien wirklich? Und wie geschlossen müssen
sie sein?
Der
Links-Rechts-Gegensatz spielt bei der Positionierung
von Parteien im ideologischen Raum
eine wichtige Rolle. Weder die Grünen mit ihrem
ursprünglichen Anspruch, nicht links oder rechts,
sondern für die Umwelt zu sein, noch der Zusammenbruch
der Berliner Mauer haben dieses politische
Koordinatensystem grundsätzlich erschüttert. Auch die Präsidenten
der Kantonalparteien scheinen keine Mühe zu haben, ihre Parteiauf der
Links-Rechts-Achse zu positionieren: Links
liegen die SP und die Grünen, Richtung rechts
kommt zuerst die CVP, gefolgt von FDP und
SVP. Für die CVP zeigt sich, dass ihre Basisin den Kantonen eher zu einer
Mitte-Rechts-Partei tendiert.
Die
Parteien sind allerdings ideologisch keineswegs homogen. Die Orientierungen
ihrer Kantonalparteien decken ein breiteres Spektrum ab. So
schätzen sich die Bündner und Glarner SVP-Sektionen
selber als Mitte-Parteien ein, und die Berner SP positioniert sich weniger
deutlich links als andere SP-Kantonalparteien.
Zwischen den verschiedenen Parteien sind auch Überschneidungen
möglich, ausgeprägt etwa bei CVP und FDP:
Während sich in der Mehrheit der Kantone die
CVP links von der FDP positioniert, deuten
unsere Forschungsergebnisse darauf hin, dass in
den Kantonen Wallis und Nidwalden das Umgekehrte der
Fall ist.
Über
den ideologischen Wandel ihrer Parteien befragt,
lassen die Antworten aus den Parteipräsidien an Deutlichkeit nichts zu
wünschen übrig. Auf nationaler
wie auf kantonaler Ebene zeigt sich
bei der SP ein Linksrutsch und bei der SVP ein
Rechtsrutsch. Bei der CVP liegt hingegen eine Diskrepanz
zwischen den beiden Ebenen vor. Der
Linkstrend der nationalen Partei ins politische «Zentrum» scheint
in den Kantonalparteien nicht nur
Nachahmer zu finden. Bei der FDP istkeine klare Entwicklung auszumachen.
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Einstellungen zu politischen Sachfragen |
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In
letzter Zeit wurden immer häufiger Stimmen laut,
die das Ende der Konkordanz und eine Neuorganisation des bestehenden Parteiensystems
prognostizieren. Die Unterschiede zwischen den
verschiedenen Parteien in konkreten politischen
Fragen zeigen die Grenzen einer Neugruppierung
der Kräfte auf. In der Kantonalparteien-Befragung
konnten die Präsidentinnen und Präsidenten angeben, welcher Anteil
ihrer Mitglieder ausgewählten politischen Forderungen zustimmen
würde (vgl. Tabelle).
In
der Europafrage sind die SP-Kantonalparteien geschlossen mit durchschnittlich
mehr als 80 Prozent der Mitglieder
für einen EU-Beitritt und die
SVP-Kantonalparteien ebenso geschlossen dagegen.
CVP und FDP haben zwar ein leichtesPlus bei den Befürwortern, es finden
sich jedoch in beiden Parteien eine
beachtliche Zahl an ablehnenden und unentschiedenen Kantonalparteien.
Bei
der Verringerung der Sozialausgaben kommt
bei der SP ein klares Nein zum Ausdruck.SVP und FDP sind mit einem durchschnittlichen
Prozentwert von rund 65 etwa gleichermassen dafür,
während die CVP mit nahezu 70 Prozent dagegen ist. In diesem klassischen
Themenbereich wird sowohl die Nähe
zwischen SVP und FDP wie auch die
Mitte-Position der CVP deutlich.Allerdings zeigt sich für die CVP auch,
dass sich rund ein Drittel der Kantonalparteien
nicht mit gleicher Vehemenz gegen
eine Verringerung der Sozialausgaben
stellt. Dasselbe Bild ergibt sich bei
der Frage der Mutterschaftsversicherung. Beide
Beispiele verdeutlichen, welche Schwierigkeiten eine allfällige neue
Mitte - bestehend aus CVP, FDP und
liberalen Kreisen der SVP - erwarten könnte.
Wenig
Übereinstimmung zwischen SP und CVP
findet sich bei Fragen wie etwa der Fristenlösung. Hier steht die FDP
auf der Seite der SP. Allerdings
verläuft auch bei den Freisinnigen diese
Zustimmung nicht ohne Misstöne. In rundeinem Drittel der FDP-Kantonalparteien
ist sie alles andere als einstimmig.
Bei der kontrollierten Heroinabgabe
gesellt sich zu SP und FDP auch die
CVP, während die SVP klar dagegen ist. Dies ergibt
eine ähnliche Konstellation wie bei der EU- Frage.
Aber auch hier gibt es FDP- und CVP- Kantonalparteien,
die von der offiziellen Parteilinie abweichen.
Je
nach Themenbereich finden sich also andere politische
Partner. Zusätzlich kompliziert wird die Bildung
von Koalitionen durch die Heterogenität der
Parteien auf kantonaler Ebene. Diese Ausgangslage dürfte eine Neustrukturierung
des Parteiensystems auf der Basis von Fusionen verunmöglichen. Zu erwarten
sind vielmehr zeitlich begrenzte Absprachen in ausgewählten Themenbereichen.
Die Analysen zeigen aber auch, dass die
«extremen» Parteien stärker geeint sind als
die Parteien der Mitte. SP- und SVP-Kantonalparteien
haben in ihren eigenen Reihen mit weniger Widerständen zu kämpfen
als FDP und CVP.
Nicht
unumstritten ist die Frage, ob sich die parteiinterne
Heterogenität im Wahlkampf wirklich negativ auswirkt. Betrachtet man
den elektoralen Palmarès der Bundesratsparteien, so scheint
dies in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen
zu sein. FDP und CVP waren früher kaum homogener
als heute. Nationalratswahlen sind kantonale Wahlen. Ausschlaggebend für
den Wahlentscheid ist die politische Orientierung der Kantonalpartei. Die
parteiinternen Differenzen bietenzusätzliche Identifikationsmöglichkeiten.
Je nach Sachfrage kann man sich
mit der konservativen Kantonalpartei
oder mit der fortschrittlichen nationalen
Partei identifizieren.
Für
ein geschlossenes Auftreten spricht demgegenüber, dass eine Nationalisierung
des Wahlkampfes stattgefunden hat. Die Führerschaft bei
wichtigen Themen und geschicktes «event
marketing» werden wichtiger und kennen keine
Kantonsgrenzen. Die Parteien brauchen das
Image der Erfolgreichen. Interne Geschlossenheit
scheint erstes Gebot zu sein, Differenzen werdenin den
Medien genüsslich ausgeschlachtet und als Zeichen
der Schwäche (miss-)interpretiert. Ob der Zwist
zwischen dem Berner und dem Zürcher Flügel
der SVP wirklich geschadet hat, ist unklar.Die Erfolgsgeschichte dieser Partei
in den letzten Jahren lässt
das Gegenteil vermuten.
Wichtig
ist vor allem, wie mit ideologischen Differenzen
umgegangen wird. Der interne Interessenausgleich ist eine zentrale Aufgabe
der Parteien. Festgelegte Verfahren, sofern von der Basis
akzeptiert, sorgen bei umstrittenen Fragen füreinen
tragfähigen Entscheid. Dass es dabei Gewinner und Verlierer gibt, gehört
zur (parteiinternen) Demokratie. Den Bürgerinnen und Bürgern
ist schon lange klar, dass auch in einer Partei auf
Dauer nicht alle gleicher Meinung sein können.
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Die Autoren sind am Institut für Politikwissenschaft der
Universität Bern tätig. Sie untersuchen im
Rahmen eines Nationalfondsprojekts den Wandel der Schweizer Parteiorganisationen
im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts.
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Positionen der Kantonalparteien zu
Sachfragen |
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Zustimmung |
Anteil
Kantonalparteien |
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im
Durchschnitt |
dagegen |
unentschieden |
dafür |
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Pro
Mutterschaftsversicherung |
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Pro
kontrollierte Heroinabgabe |
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Die erste Kolonne bezeichnet den durchschnittlichen
Anteil an Mitgliedern in den Kantonalparteien, die gemäss Einschätzung
der Parteipräsidien einer Forderung zustimmen.
Kolonnen 2 bis 4: Beträgt der Anteil
weniger als 40 Prozent, so ist die Kantonalpartei dagegen,
liegt er zwischen 40 und 60 Prozent, so ist sie unentschieden,
und bei mehr als 60 Prozent ist siedafür.
Die Angaben basieren auf den Antworten
von rund 90 Prozent aller Kantonalparteien.