NLZ, 30.6.2000


UNO-Beitritt: Der Berner Politologe Andreas Ladner über die internationale Öffnung der Schweiz

«Bedeutend weniger Auswirkungen als ein EU-Beitritt»

Die Frage eines UNO- Beitritts von der Europa- Debatte loszulösen, empfiehlt der Politologe Andreas Ladner.


Bundesrat und Nationalrat schielen auf einen EU-Beitritt, jetzt forciert die Landesregierung auch noch einen UNO-Beitritt. Wird das aussenpolitische Fuder derzeit nicht überladen?


Andreas Ladner: Man kann die beiden Sachen nicht so miteinander vergleichen: Ein UNO-Beitritt hat bedeutend weniger Auswirkungen auf die Schweiz als ein EU-Beitritt.

 
Aber es handelt sich bei beiden Vorlagen um eine internationale Öffnung ­ und solchen Unterfangen steht das Schweizervolk traditionell skeptisch gegenüber.


Ladner:
Klar besteht die Möglichkeit, dass die Gegner eines UNO-Beitritts im Volk einen gewissen Abwehrreflex aktivieren oder mobilisieren können. Doch man muss diese beiden Sachen schon auseinander halten, schliesslich handelt es sich hier um sehr unterschiedliche Organisationen. Das sieht man schon daran, dass längst nicht alle Länder in der EU sind, in der UNO aber sind praktisch alle Staaten dieser Welt.


Drängt ein UNO-Beitritt überhaupt? Hätte der Bundesrat mit dieser Vorlage nicht warten können, bis sich unser Verhältnis zu Europa geklärt hat?


Ladner:
Die Europa-Frage wird uns noch länger beschäftigen, man müsste einen UNO-Beitritt sehr lange auf Eis legen, wenn man zuerst die Frage eines EU-Beitritts klären will. Daher finde ich es angebracht, den UNO-Beitritt jetzt aufs Tapet zu bringen und dieses Traktandum auch etwas von der Europa-Debatte loszulösen.


Das Schweizervolk hat vor vierzehn Jahren einen UNO-Beitritt abgelehnt. Sind die heutigen Voraussetzungen für ein Ja besser?


Ladner: Viele politische Veränderungen in der Schweiz haben mehrere Anläufe gebraucht. Die Welt ändert sich, die Leute ändern sich; daher ist es nicht verwerflich, wenn man die gleichen Fragen von Zeit zu Zeit wieder thematisiert. Doch es ist klar, dass ein erneutes Volksnein nicht auszuschliessen ist. Das Abstimmungsergebnis hängt davon ab, wie die politische Debatte läuft und wie sich die politischen Organisationen verhalten.


Die SVP hat bereits ihren Widerstand angekündigt. Nur: Gibt es noch Argumente gegen einen UNO-Beitritt?


Ladner:
Folgende Gegenargumente könnten auf den Tisch gebracht werden: Ein Beitritt kostet etwas, und man kann die Frage aufwerfen, wie gross das Mitspracherecht der kleinen Nation Schweiz in einer so grossen Organisation sein kann.


Und was spricht denn im Gegenzug für einen Beitritt?


Ladner: Die Schweiz ist ja schon zu grossen Teilen in der UNO integriert und mit der UNO in Kontakt ­ wenn ich nur schon an den UNO-Sitz in Genf denke. Zudem kann die Schweiz mit einem Beitritt zeigen, dass sie ein Teil dieser Welt ist, dass sie sich nicht prinzipiell abschottet gegenüber dem Rest der Welt und dass die Schweiz auch differenziert zwischen UNO und EU.

Interview Rolf Elsener