NLZ, 29.1.2000

 


 

Parteienfinanzierung im Vergleich

Politik braucht Geld, viel Geld. Wer Geld gibt, will mitreden. Deshalb ist es wichtig zu wissen, woher die Finanzen stammen.

 

Ohne Parteien würde die Demokratie nicht funktionieren. Doch Parteienarbeit, nicht nur Wahlkampf, kostet: In einzelnen Ländern ist der Staat grosszügig, in anderen weniger, in der Schweiz gibt er nichts. Auch die Vorschriften für Spendengelder sind äusserst unterschiedlich, wie ein Vergleich zwischen Deutschland USA, Frankreich Italien und der Schweiz zeigt.

Deutschland: Gross- zügiger Staat

In kaum einem Land werden die Parteien so grosszügig unterstützt wie in Deutschland, und in kaum einem Land sind Spendenaffären so anrüchig wie in der Bundesrepublik. Denn Hitlers Aufstieg war zum Teil durch die Grossindustrie finanziert. Heute zahlt der Staat jährlich 245 Millionen Mark an die Parteien. Anspruch haben alle Parteien, sofern sie bei Bundestagswahlen mindestens 0,5 Prozent, bei den Landtagswahlen mindestens 1 Prozent der Wählerstimmen gewinnen. Pro Wählerstimme steht jeder Partei 1,30 Mark (für die ersten fünf Millionen Wählerstimmen) beziehungsweise 1 Mark (für die übrigen Stimmen) zu.18 Mark pro BürgerZudem erhalten die Parteien für jede gespendete Mark von natürlichen Personen nochmals 50 Pfennige vom Staat, allerdings nur für Spenden, die 6000 Mark nicht übersteigen. Nach den jüngsten Daten lautet der Verteilungsschlüssel für die Parteien im Bundestag: SPD (97 Mio.), CDU (74 Mio.), Grüne (18 Mio), CSU (18 Mio.), FDP (13 Mio.) und PDS (13 Mio.). Zu den staatlichen Subventionen kommen Mitgliederbeiträge und Spenden dazu. Somit hatte die SPD Gesamteinnahmen von 281 Millionen, die CDU 218 Millionen, die CSU 56 Millionen Mark. Prozentual am meisten Spenden erhält die FDP mit rund 34 Prozent. Auf die CDU entfallen 15 Prozent, auf die SPD 8 Prozent. Aber nicht nur die Parteien, sondern auch die Fraktionen und die Abgeordneten des Bundestags und parteinahe Stiftungen erhalten staatliche Unterstützung. 1998 erhielten die Fraktionen insgesamt 113 Millionen Mark, die Abgeordneten ein "Gehalt" von knapp 13 000 Mark sowie maximal 21 000 Mark für Spesen, Wahlkreisbüro und Entlöhnung ihrer Mitarbeiter. Pro Monat zahlt jeder deutsche Bürger rund 18 Mark für das parlamentarische System

Frankreich: Der Staat zahlt wieder

So lange in Frankreich kein Gesetz die öffentliche Unterstützung der Parteien und die Transparenz ihrer Buchhaltungen regelte, mussten diese in einer rechtlichen Grauzone zusehen, wie sie ihre Kosten decken konnten. Konkret liessen sich alle über fiktive Rechnungen für Pseudoarbeiten von "Beratungsbüros", wenn nicht sogar direkt durch Zuwendungen der Unternehmen, finanzieren. Auf allen Etagen des Staates, von den Rathäusern bis in die Ministerien und ins ElysŽe, existierten zudem "schwarze Kassen". Befreundete staatliche und private Unternehmen bezahlten Pro-Forma-Angestellte, die in Wirklichkeit als Parteikader arbeiteten.In mehreren Schritten sorgten 1988, 1990 und 1994 die Gesetzgeber für mehr Transparenz und Legalität. Die im Parlament vertretenen Parteien erhalten nun ihrer Sitzzahl entsprechend Subventionen, dafür müssen sie ihre Bücher offenlegen. Ausserdem sind die Wahlausgaben limitiert, und den Unternehmen ist es jetzt verboten, Parteien zu unterstützen. Parallel dazu machte die Justiz Jagd auf die schwarzen Schafe unter den Politikern mit Ermittlungen wegen Beteiligung an Unterschlagung. Einige von ihnen (darunter die ehemaligen Stadtpräsidenten von Lyon und Grenoble), die sich nach einer Amnestie von 1990 nicht an die neuen Spielregeln gehalten hatten, wanderten zur Abschreckung hinter Gitter.Dass auch nach dieser Gesetzgebung in den Parteifinanzen nicht alles lupenrein ist, belegt beispielsweise ein Bericht des regionalen Rechnungshofes, der kriminelle Machenschaften in der Hauptstadtregion bis mindestens ins Jahr 1996 anprangert: Bei jedem öffentlichen Auftrag für den Bau oder die Renovierung einer Mittelschule kassierten die vier grösseren im Regionalrat vertretenen Parteien 2 bis 3 Prozent der Bausumme. Sieben Baufirmen hatten sich dazu mit der Exekutive auf einen Turnus geeinigt, der unter Umgehung des fairen Wettbewerbs abwechslungsweise jedes der Unternehmen zum Zuge kommen liess. Als Gegenleistung erhielten die Parteikassen der Gaullisten, Liberalen, Sozialisten und Kommunisten in der Periode 1989Ð96 die Gesamtsumme von 560 Millionen Francs (140 Mio. Franken).

Italien: Wählerwillen missachtet

Unter dem Alptraum der Korrup- tions- und Schmiergeldskandale sorgten Italiens Bürger 1993 mittels Referendum für die Abschaffung der öffentlichen Finanzierung der Parteien und schoben dem Zufluss aus dem Staats- säckel damals einen Riegel vor. In den Parteikassen herrschte Ebbe: Die regierenden Linksdemokraten (DS) steckten so tief in den roten Zahlen, dass sie sogar ihre Parteizentrale in Rom verkaufen wollten.Abgaben der ParlamentarierDie grösste Tochter der im Spendensumpf erstickten Christdemokraten, die Volkspartei PPI, finanzierte sich ebenso wie Italiens Kommunisten vorwiegend aus den Abgaben ihrer Parlamentarier. Und Medienmogul Berlusconi griff seiner "Forza Italia" immer wieder mit Geldern aus der Privatschatulle unter die Arme. Er liess sich die Wahlkampagne fürs Strassburger Parlament sage und schreibe knapp 21 Millionen Franken kosten.Seit einem Jahr aber können die Schatzmeister wieder aufatmen: Im letzten März führten die Parlamentarier durch die Hintertür die öffentliche Finanzierung wieder ein. Unter dem Mäntelchen "Gesetz zur Rückerstattung für Wahlkampfkosten" hat seitdem jede Partei, die auf mindestens 1 Prozent der Wählergunst bauen kann, das Recht auf Unterstützung. Bei Europa-, National- und Regionalwahlen gibt es für jede Stimme 4000 Lire oder 3.33 Franken. Das kommt den Staat teuer zu stehen, denn in Italiens Parlament sitzen derzeit ein halbes Hundert Parteien. Darunter viele, die nur 1 bis 2 Prozent Wählerstimmen erreichen.Mit mindestens 333 Millionen Franken schlagen nationale Wahlen, mit 166 Millionen die Abstimmungen für Europa zu Buche. Romano Prodi, damals noch Abgeordneter, war empört: "Das ist eine schamlose Verachtung des Wählerwillens." Er konnte sich nicht durchsetzen. Die Gelder fliessen wieder Ð auch die Spenden. Und sie sind in gewissem Umfang steuerlich absetzbar.

Schweiz: Zuschüsse an Fraktionen

Obwohl auch in unserem Land die Parteien eine tragende Rolle in der Politik spielen, werden sie erstmals in der neuen Bundesverfassung genannt - ohne dass sie daraus aber irgendwelche Ansprüche ableiten könnten, wie es in den Begleitprotokollen heisst.Direkt vom Staat erhalten die Parteien kein Geld Ð indirekt wird ihre politische Arbeit durch Zuschüsse an die Fraktionen als Organe der Bundesversammlung unterstützt. Ebenfalls als indirekte Hilfe gelten vergünstigte Posttarife oder kostenlose Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehen. In einigen Kantonen können zudem Parteispenden bis zu einem gewissen Betrag von den Steuern abgesetzt werden.Parteien sind VereineDer Politologe Andreas Ladner schätzt diese Zuwendungen auf rund 3, 5 Millionen Franken pro Jahr. Besondere Gesetze für die Parteifinanzierung gibt es in der Schweiz nicht. Die Parteien sind als Vereine organisiert und unterliegen keinen besonderen Auflagen. Im Gegenzug sind die Parteien aber auch nicht verpflichtet, ihre Geldquellen offen zu legen, solange es sich um sauberes Geld handelt.Die einzelnen Parteien finanzieren ihre Budgets, die bei den Bunderatsparteien auf nationaler Ebene zwischen 2,3 und 3,5 Millionen Franken liegen, aus höchst unterschiedlichen Quellen: Während bei der SP ein Grossteil aus Mitgliederbeiträgen und Beiträgen der Mandatsträger stammt, beträgt der Anteil parteifremder Spenden bei den bürgerlichen Parteien auf nationaler Ebene zwischen 40 und 60 Prozent. Auf Kantonsniveau ist auch bei den Bürgerlichen der Anteil der Mitgliederbeiträge am Budget höher. Firmen und Interessenverbände investieren weniger in Parteien als gezielt in Abstimmungskampagnen.

USA: Kreuzzug gegen weiches Geld

"Soft Money" aus der Privatwirtschaft beherrscht die Parteien- und Wahlkampffinanzierung in den USA. Doch drei der vier Präsidentschaftskandidaten wollen das System reformieren. John McCain wiederholt den Satz immer und immer wieder, einem Mantra gleich: "Wir müssen den Einfluss des <Grossen Geldes> in der Politik eliminieren und die Macht wieder den Bürgerinnen und Bürgern zurückgeben." Der republikanische Präsidentschaftskandidat spricht damit das Herzstück seiner Kampagne an, die Reform der Parteien- und Wahlkampffinanzierung Ð ein Thema, das in den USA seit langem für hitzige Debatten sorgt. Die einschlägigen Gesetze waren nach dem Watergate-Skandal 1974 erlassen worden. Einzelpersonen dürfen den Kandidaten höchstens 1000 Dollar spenden, und Präsidentschaftskandidaten erhalten öffentliche Zuschüsse als Gegenleistung für das Versprechen, gewisse Ausgabenlimiten nicht zu überschreiten. Dazu kommen Zahlungen an die Parteien, deren Höhe sich nach dem Stimmenanteil bei den letzten Wahlen richtet. Da das amerikanische Parteiensystem stark dezentralisiert ist, existieren auf der Ebene der Bundesstaaten weiter komplexe Finanzierungsregeln.Im Laufe der Neunzigerjahre begannen aber Politiker und Parteien ein rechtliches Schlupfloch immer dreister auszunützen und auszuweiten: das so genannte "Soft Money".Das "weiche Geld" hat den Vorteil, dass es in unlimitierter Höhe gespendet, gesammelt und ausgegeben werden darf. Die einzige Einschränkung: Werbung für einen bestimmten Kandidaten ist verboten, denn das Geld soll den Parteien nur zur "Mobilisierung der Wählerschaft", zur "Sachinformation" oder zur "Mitgliederwerbung" dienen. In der Praxis werden mit "Soft Money" aber oft Radio- und Fernsehkampagnen finanziert, die hemmungslos Gegenkandidaten anschwärzen oder derart gestaltet sind, dass ohnehin allen klar ist, wem sie nützen sollen.

"Korruptes System"

Für die Präsidenten- und Kongresswahlen 1996 gaben Parteien, Kandidaten und Aktionskomitees rund 2,7 Milliarden Dollar aus; die aktuellen Zahlen weisen darauf hin, dass es dieses Jahr einiges mehr sein wird. Dass die Geldgeber Ð vor allem zahlungskräftige Unternehmen Ð eine Gegenleistung erwarten, versteht sich von selbst. Und die Abgeordneten, einmal im Amt, sind meist gerne bereit, ihnen eine Gefälligkeit zu erweisen. So spendete der Zigarettenkonzern Philipp Morris 1997/1998 über 2 Millionen Dollar, vor allem an Republikaner. Diese setzten sich danach vehement gegen die Erhöhung der Zigarettensteuer ein. John McCain bezeichnet dieses System schon lange als "korrupt" Ð eine Meinung, die auch Bill Bradley und Al Gore teilen, die beiden demokratischen Bewerber um das höchste Amt. Einzig George W. Bush, der republikanische Favorit, stemmt sich gegen eine umfassende Reform. Kein Wunder, denn er hat bislang fast 70 Millionen Dollar Wahlkampfspenden erhalten und dürfte am meisten von den geltenden Regeln profitieren.


Zurück zum Seitenbeginn