Handelszeitung, 26.1.1995

 


 

Unternehmen geben sich als Spender knausrig

Da die Schweiz im Unterschied zu anderen westlichen Demokratien keine staatliche Parteienfinanzierung kennt, sind die nationalen Parteien mausarm: Sie muessen 40 und mehr Prozent ihrer Mittel ueber Spendenaufrufe bei Unternehmen und sonstigen Maezenen erbetteln. Diese geben sich aber eher knauserig.

Von Daniel Imwinkelried

 

Als die Oerlikon-Buehrle Holding im Sommer 1993 saemtlichen Bundesratsparteien 15 000 Fr. aufs Konto ueberwies, leitete die SP Schweiz die Spende stracks an das Komitee fuer die Waffenausfuhrverbotsinitiative weiter. Diese kleine Provokation gab zum ersten Mal fluechtig Einblick in eines der gut gehueteten Geheimnisse der schweizerischen Politik: die Parteienfinanzierung durch Unternehmen.

Lange war naemlich ueber die Einnahmenstruktur der nationalen Parteien kaum etwas in Erfahrung zu bringen. Diese Geheimniskraemerei ist eigentlich schwer verstaendlich, denn die Parteien sind punkto Einnahmen nicht auf Rosen gebettet und muessen sich nicht wegen uebertriebenen Reichtums schaemen: Bei der FDP betraegt das Budget auf eidgenoessischer Ebene fuer das Jahr 1995 nur 2 Mio Fr., bei der SP 3 Mio Fr. und bei der CVP 2,3 Mio Fr. Das Schlusslicht bildet die SVP mit bloss 1 Mio Fr. Einnahmequellen

Die nationalen Parteien bekunden aber bereits Muehe, das Geld fuer diese Mini-Budgets zusammenzukratzen. Im Unterschied zu anderen westeuropaeischen Staaten kennt die Schweiz naemlich keine staatliche Parteienfinanzierung. Geld vom Bund gibt es nur fuer die Fraktionen, und zwar aufgeteilt in einen Sockelbeitrag von 58 000 Fr. je Fraktion und eine Entschaedigung von 10 500 Fr. pro Parlamentarier. Einen Teil dieser Betraege leiten die Fraktionen als Entschaedigung fuer geleistete Dienste an die Parteizentralen weiter. Eine zweite Einnahmequelle der nationalen Parteien sind die Mitgliederbeitraege, wobei diese von Partei zu Partei stark unterschiedlich anfallen. In der Regel werden sie von den Lokal- und Kantonalparteien einkassiert, und diese haben dann einen Teil an die Mutterpartei in Bern abzuliefern. Als Spitzenreiterin und am staerksten von ihren Sektionen subventionierte Parteizentrale gilt jene der SPS mit 1,7 Mio Fr., waehrend es die anderen Bundesratsparteien nur auf einige hunderttausend Franken bringen. Eine dritte staendige Einnahmequelle aller Bundesratsparteien sind die Mandatstraeger: Bundesrichter, Parlamentarier, Bundes- und Regierungsraete sowie hohe Verwaltungsbeamte zeigen sich bei der Partei, die ihnen zum beruflichen Aufstieg verholfen hat, mit freiwilligen oder obligatorischen Beitraegen erkenntlich. Bei der SPS - sie gibt sich uebrigens bei Finanzfragen weniger zugeknoepft als die anderen Parteien - wird etwa der Obolus eines Nationalrats prozentual zum Einkommen berechnet und kann bis 10 000 Fr. erreichen; ein SP-Regierungsrat muss je nach Kanton zwischen 2000 Fr. und 20 000 Fr. an die Kantonalpartei abliefern. Bei der FDP zahlt jeder Nationalrat einen nicht naeher bezifferten, fixen Betrag in die Parteikasse.

All diese Einnahmequellen helfen den Parteien aber bei weitem noch nicht aus der Finanzklemme heraus. Daher sind besonders die buergerlichen Parteien auf Spenden dringend angewiesen. Parteisekretaere, die in der Regel das Amt des Kassenwarts innehaben, muessen so wie ihre Kollegen von den lokalen Sportvereinen bei Unternehmen anklopfen und Bettelbriefe schreiben. "Es handelt sich dabei um eine sehr zeitraubende und unprofessionelle Art der Parteifinanzierung, die den hohen Anpruechen, welche ernsthaftes Politisieren heute stellt, nicht genuegt. Eine teilweise Finanzierung der Parteien durch den Staat waere dringend notwendig", merkt SVP-Parteisekretaerin Myrtha Welti zu den Finanzsorgen der Parteien an. Aehnliche Aussagen sind auch von anderen Parteizentralen zu hoeren.

Da nun in diesem Jahr die Nationalratswahlen vor der Tuer stehen, wird die Suche nach Geldgebern noch aufwendiger, muessen doch auf nationaler Ebene zwischen 600 000 Fr. (CVP) und 1 Mio Fr. (FDP, SPS) zusaetzlich fuer Wahlkampfunkosten zusammengebracht werden. Wie erfolgreich sind nun aber diese parteilichen Bettelaktionen? Waehrend die SVP gemaess Angaben von Myrtha Welti auf nationaler Ebene jaehrlich 400 000 Fr. Spenden zusammenbringt, fliessen in die Parteikasse der CVP rund 1,3 Mio Fr. Fuer die Freisinnigen machen Spender gemaess Parteisekretaer Christian Kauter ungefaehr 1 Mio Fr. locker. Im Unterschied zu den anderen Parteien uebernimmt aber bei der FDP nicht der Parteisekretaer die Funktion des Sammlers. Vielmehr lassen Mitglieder einer speziellen Finanzkommission unter der Aegide von Alt-Nationalrat Ulrich Bremi ihre Beziehungen zur Wirtschaft spielen. Weniger belastet durch solche Bettelaktionen ist bekanntlich der LdU, denn die Migros tritt bei dieser Partei mit 3 Mio Fr. als Maezen auf; zwei Drittel dieses Betrages gehen dann an die Kantonalparteien. Eine zweite Ausnahme ist die SPS, denn sie gehoert, was das Spendenaufkommen betrifft, unter den vier Grossen zu den Habenichtsen: Bei der jaehrlichen Spende der Oerlikon-Buehrle handle es sich um den einzigen Zustupf eines Unternehmens in die Parteikasse, so Pressesprecher Jean-Francois Steinert. Die Partei versucht die Luecke durch Spenden von Mitgliedern zu fuellen; im Schnitt belaufen sich diese auf 75 Fr. Spricht man Vertreter der buergerlichen Parteien auf die Hoehe der einzelnen Spenden an, stoesst man meist auf eine Mauer des Schweigens. Christian Kauter laesst sich nur den Hinweis entlocken, dass es sich bei der Oerlikon-Spende um einen grosszuegigen Betrag handle, waehrend Hanspeter Merz, Pressesprecher der CVP, durchblicken laesst, dass sich noch weitere Spenden in der Groessenordnung des Buehrle-Betrages bewegten; keine einzige erreiche aber auch nur annaehernd die 100 000 Fr. Grenze.

Verschwiegene Unternehmen

Nur mit duerftigen Informationen abgespeist wird auch, wer sich bei grossen Unternehmen nach ihren Parteispenden erkundigt. Der Bankverein in Basel laesst zwar allen buergerlichen Parteien jaehrlich einen fixen Betrag zukommen, der je nach dem, was auf der politischen Agenda steht, auch mal erhoeht werden kann; ueber dessen Hoehe schweigen sich die Bankenvertreter aber aus. Wenig in Erfahrung zu bringen ist bei der Kreditanstalt. Offen zu Parteispenden steht man dagegen bei der Bankgesellschaft: "Wir stehen in gutem Kontakt zu den buergerlichen Parteien und unterstuetzen sie, weil sie sich fuer den Wirtschaftsstandort Schweiz einsetzen. Wir sagen den Parteien auch, was wir konkret an ihrer Arbeit schaetzen und was nicht", sagt Walter Bosshard, der als Bankensprecher und Kantonsrat der zuercherischen FDP Einblick in Wirtschaft und Politik hat. Im Unterschied zu einigen Grossbanken haben jedoch die drei Chemiegiganten aus Basel (Ciba-Geigy, Sandoz, Hoffmann-La Roche) nicht die Spendierhosen an: Vertreter aller drei Firmen lassen verlauten, dass sie nicht Parteien unterstuetzten, sondern ausschliesslich Branchen- und Wirtschaftsverbaende. Dazu ist aber anzumerken, dass ein Teil des Geldes, das Verbaenden zukommt, ebenfalls in den "politischen Betrieb" fliesst und zwar bei den Abstimmungskampagnen. Diese mit ihren ordentlichen Budgets zu bestreiten, waeren die Parteien nie und nimmer in der Lage, denn ihre Kassen reichen gerade knapp fuer die politischen Alltagsgeschaefte. Aktionskomitees muessen sich daher bei Referenden wiederum an Maezene wenden, falls die Spendengelder nicht von selbst fliessen, wie das meist bei wichtigen wirtschafts- und ordnungspolitisch relevanten Abstimmungen der Fall ist.

Hier zeigen sich denn auch die Schwaechen und zwar nicht nur der referundumsreichen, halbdirekten Demokratie, sondern auch des gegenwaertigen Finanzierungssystems ueberhaupt: Viele Referenden koennen von den Parteien kaum wirkungsvoll bekaempft oder unterstuetzt werden, weil sie finanziell ueberfordert sind. So beklagt Myrtha Welti, dass die Sammelaktion fuer den Kulturfoerderungsartikel nur 70 000 Fr. einbrachte, waehrend etwa fuer die Kampagne gegen die sozialdemokratische Krankenversicherungsinitiative mindestens 2 bis 3 Mio Fr. zur Verfuegung gestanden seien; dies fuer eine Vorlage notabene, die ohnehin kaum Chancen hatte, angenommen zu werden. Weitere "Millionendinger" unter den Abstimmungen waren die Vorlagen zur Mehrwertsteuer, zum Werbeverbot fuer Alkohol und Tabak sowie zum Tierschutz. Die Parteien werden somit von den Verbaenden im politischen Alltag oft auf den zweiten Rang verwiesen: Letztere sind ihnen an Fachkompetenz und finanziellen Mitteln ueberlegen und dominieren daher oft die Abstimmungsdiskussionen.

Keine Soeldner

Befuerchtungen, Wirtschaftskreise koennten die nationalen Parteien als ganzes am Gaengelband fuehren, scheinen aber, wenn man die politische Wirklichkeit betrachtet, kaum begruendet. Erstens gibt es die ganz grossen Parteispender - die Migros einmal ausgenommen - wahrscheinlich gar nicht. Und zweitens sind alle grossen Parteien ohnehin von Fluegelkaempfen zerrissen und somit unberechenbar: Ein Spender weiss nie, wie sich die verschiedenen Gruppen einer Partei verhalten. Ein Beispiel dafuer ist die in aussenpolitischen Fragen voellig zerstrittene SVP: Die Partei, die den EWR abgelehnt hat, bekommt jaehrlich - wie bereits erwaehnt - einen Obolus vom Schweizerischen Bankverein. Letzterer war aber seinerseits im Abstimmungskampf um den EWR-Vertrag finanziell sehr stark engagiert. Der unverdaechtige Politikwissenschaftler Andreas Ladner bringt daher die groesste Schwaeche der schweizerischen Parteienszene folgendermassen auf den Punkt:" Das Hauptproblem ist nicht, dass die Parteien im Solde von Grossspendern stehen, sondern dass sie schlicht zu wenig Geld haben."


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