BZ, 3.7.1999


 

Blochers Erfolg macht nervös

 

In einem geschickten Doppelspiel zwischen Opposition und Staatstreue habe Christoph Blocher die SVP auf Erfolgskurs getrimmt, sagt der Politologe Andreas Ladner. Jetzt gehe es dem SVP-Polterer um die Vormachtstellung im Bürgertum. Deshalb habe die FDP so nervös auf Blochers «Maulkorb-Initiative» reagiert. Ladner ist überzeugt, dass die bürgerlichen Parteien Blochers SVP-Flügel einen Bundesratssitz überlassen werden.

Interview: Denis von Burg

BZ: Leidet die Schweiz an hochgradiger Blocher-Hysterie? Der Mann macht einen Mucks, und schon herrscht hellste Aufregung im Lande.

Andreas Ladner: Ja, so kann man das sehen. Die Reaktion auf die unrealistische Initiative, die Bundesrat und Parlament aus der Diskussion über Volksbegehren ausschliessen will, zeigt vor allem, wie gross die Verunsicherung der anderen Parteien gegenüber der Zürcher SVP und dem Phänomen Christoph Blocher ist.

Am aufgeregtesten reagiert die FDP.

Die FDP hat auf einmal gemerkt, dass nicht nur die CVP ein Blocher-Problem hat. Sie hat die Zürcher Wahlen gegen die SVP verloren, und das SRG-Wahlbarometer deutet an, dass reichere und gebildetere Leute in die SVP abwandern. Die FDP musste reagieren und sich ganz klar von Blochers SVP abgrenzen. Stünden nicht Wahlen vor der Tür, würde die FDP die Angelegenheit wohl aussitzen.

Selbst FDP-Bundesrat Couchepin hat in die Debatte eingegriffen.

Was Blocher vielleicht sogar hilft. Eigentlich wünschen wir uns ja eine profiliertere Regierung. Aber die Verknüpfung von freisinnigem Wahlkampf und Regierungsreaktion ist heikel. Man sieht einen Bundesrat, der sich offenbar auch deshalb gegen die Initiative auflehnt, weil seine Partei das braucht. Das könnte den «Anti-Classe-politique-Reflex», mit dem Blocher so gerne spielt, noch verstärken und Wasser auf seine Mühle leiten.

Wie wurde die SVP unter Blocher zur Erfolgspartei?

Es ist schon fast unheimlich mit- anzuschauen, wie die SVP in die verschiedensten politischen Lager eingedrungen ist: In einer ersten Phase Anfangs der 80er Jahre hat Blocher mit einer Law-and-Order-Politik in den Bereichen Drogen, Asyl und Kriminalität die extreme Rechte und alte traditionelle SP-Sympathisanten an sich gezogen. Danach hat er über ein kompromissloses Nein zu Europa und zum Schwangerschaftsabbruch den konservativen Flügel der CVP in seine SVP geholt. Jetzt beobachten wir eine dritte Phase: Mit harten steuer- und finanzpolitischen Forderungen geht Blocher auf den Wirtschafts-Flügel der FDP los. Es ist klar: Jetzt geht es Blocher um die Vormachtstellung im bürgerlichen Lager.

Mit der «Maulkorb-Initiative», die selbst in der SVP für Unruhe sorgt, könnte Blocher den Bogen aber überspannen und sich im gutbürgerlichen Milieu unmöglich machen?

Das wird sich noch zeigen müssen. Und Initiativen haben im Wahljahr ja vor allem die Funktion, Aufmerksamkeit zu erregen: Insofern hat Blocher sein Ziel schon erreicht: Der Medienauftritt war genial. Blocher hat das Feld wieder für sich. Und wenn als Folge der - unmöglichen und unrealistischen - Initiative die Behandlung von Volksinitiativen beschleunigt wird, darf er für sich in Anspruch nehme, die ganze Sache angestossen zu haben.

Also eine wunderbare Ausgangslage für den Wahlkampf: Blocher und die SVP sind in den Schlagzeilen. Das Thema Asyl wird den Rest besorgen?

Natürlich, das sind die Themen, mit welchen die SVP gross geworden ist. Dann kommen noch die bilateralen Verträge.

Die machen ihm aber offenbar Sorgen, er scheint nicht zu wissen, wie er sich verhalten soll.

Blocher wird zwar zusammen mit der SVP kritisieren, dass mehr möglich gewesen wäre, aber schliesslich ja sagen. Und das passt dann genau in die Strategie der Partei, sich auf die weniger oppositionellen Wähler zuzubewegen. Hier bietet sich die Möglichkeit, auch wieder mal etwas Staatsbejahendes zu machen. Dieses Doppelspiel zwischen rechter Opposition und bürgerlich-kritischer Regierungstreue ist äusserst erfolg- versprechend auf dem Weg zur dominierenden Stellung im bürgerlichen Lager.

Das ahnt offenbar auch die freisinnige NZZ und fordert den Rücktritt von Bundesrat Ogi,weil dessen SVP nicht mehr regierungstauglich sei.

Man müsste Ogi höchstens zum Austritt aus der SVP auffordern. So oder so würde man das Problem aber am falschen Ende anpacken.

Und wo ist das richtige Ende?

Die anderen Parteien müssen die Themenführerschaft wieder übernehmen und sich kompetent Fragen annehmen, die von der SVP aufgegriffen werden. Die Leute brauchen vor allem das Gefühl, ernst genommen zu werden. Und dann müssen die andern Parteien relativ geeint auftreten.

Noch im letzten Jahr hat eine gut spielende Koalition aus FDP, CVP und SP Blocher in Schach gehalten.

Man hat nach den gewonnenen Verkehrsabstimmungen die Lage völlig falsch eingeschätzt. Wegen zwei, drei Niederlage an der Abstimmungsurne hat Blocher seinen Zenit noch lange nicht überschritten. Dann muss man feststellen, dass die FDP ganz einfach eine gewisse Nähe zur SVP hat. Da sind die Fronten noch längst nicht geklärt. Dem Freisinn fehlt der Mut, konsequent Bündnisse mit den Mitte-Links-Kräften zu schliessen. Und offensichtlich fürchtet sich auch der liberale Teil der SVP - in Bern zum Beispiel - vor dem Bruch mit ihrem Erfolgsgaranten Christoph Blocher.

Also weiter wie bisher: Mal Verbalattacken gegen den Polterer, mal Bündnisse mit ihm. Und die von Blocher dominierte SVP wird weiter wachsen?

Man könnte der SVP einen zweiten Sitz im Bundesrat geben, der dann durch einen Vertreter des Blocher-Flügels eingenommen wird. Ich denke, dass sich die bürgerlichen Kräfte für diese Option entscheiden werden. Sie werden dabei aber in einen sauren Apfel beissen müssen. Denn auch eine stärker integrierte SVP wird nicht von heute auf morgen pflegeleicht.