BZ, 30.11.2000


Zum Bundesratskandidaten Samuel Schmid

«Mit Konkordanz nicht viel zu tun» Kein neuer «Hors-sol-SVPler». Mit der Wahl Samuel Schmids in den Bundesrat mache sich das Konkordanz fordernde Parlament unglaubwürdig, sagt der Politologe Andreas Ladner.


*Interview: Denis von Burg


BZ Herr Ladner, CVP und FDP wollen Schmid wählen, sagen sie. Ist den Ankündigungen zu trauen?
Andreas Ladner: Noch haben sich die in Bern weniger bekannten Roland Eberle und Rita Fuhrer den Parlamentariern nicht präsentiert. Im Moment werden politische Prioritäten bekannt gegeben. Ob es dann auch so kommt, ist eine andere Frage.


Man will Schmid, weil dieser als integrationsfähiger Kandidat die Funktionsfähigkeit des Bundesrates garantiere.
Warum soll der Parlamentarier Schmid leichter integrierbar sein als die beiden, die sich als Regierungsräte haben integrieren lassen. Schmid stehe der Parlamentsmehrheit inhaltlich näher, heisst es. So anders als die anderen ist er nun aber auch nicht. Bezüglich 18-Prozent-Initiative, Militärgesetz oder EU-Beitritt vertreten sie alle die gleiche Meinung. Schmid hat aber hin und wieder gegen Blocher aufbegehrt, und das bringt ihm Sympathien ein. Schmid verkörpert das Gegengewicht zu Christoph Blocher und der mächtigen Zürcher SVP. Er präsentiert sich auch bewusst als wilder Kandidat. Mit Schmid könnte man dem Zürcher Kurs eins auswischen.


Das will man offensichtlich.
Ja, aber vielleicht geht die Rechnung nicht auf. Zwingen die anderen Parteien der SVP Schmid auf, verlieren sie ihr Lieblingsargument gegen die SVP. Bis jetzt haben sie der SVP immer wieder genüsslich vorgeworfen, sie lasse ihren Bundesrat Adolf Ogi dauernd im Regen stehen. Wenn sie sich jetzt für Schmid entscheiden, tragen sie aber selbst die Verantwortung dafür, dass die SVP mit einem «Hors-sol-Bundesrat» in der Regierung sitzt, und das Argument liesse sich nicht mehr nach Bedarf mobilisieren. Eine Wahl Schmids wäre von daher nicht sehr geschickt. Und vielleicht wäre es gescheiter, sich zu fragen, wer denn als Person in den Bundesrat passt.


Und wer passt?
Man kann sich zum Beispiel fragen, ob es nach Adolf Ogi nicht wieder jemanden braucht, der den Draht zum Volk findet. Will man das, muss man wohl am ehesten Rita Fuhrer wählen. Vielleicht kommt man zum Schluss, dass es noch eine Frau und endlich eine Mutter sein muss. Oder man kommt überein, dass die Landesregierung zwei Zürcher Vertreter nicht erträgt und dass man aus staatspolitischen Gründen besser den Kanton Thurgau berücksichtigt. Es ist zu hoffen, dass das Parlament zu solchen Überlegungen zurückfindet. Dann kann es auch legitimieren, warum es und nicht das Volk den Bundesrat wählen soll.


Mit Schmid will man die Konkordanz retten.
Mit der Wahl Schmid geriete die Bundesversammlung in eine sehr heikle Situation, vor allem jene, die seit Jahren Konkordanz predigen. Eine Wahl Schmids hätte mit Konkordanz nicht viel zu tun. Man hätte mit den offiziellen Kandidaten die Möglichkeit einer 75-Prozent-Integration, wählt aber eine 25-Prozent-Integration. Das wirkt nicht glaubwürdig. Einen «Hors-Sol-SVPler» braucht es im Bundesrat eigentlich nicht mehr. Und das Parlament hat nur zwei Möglichkeiten. Entscheidet es sich für die Konkordanz, muss es einen der Offiziellen wählen. Oder es hält die inhaltliche Geschlossenheit des Bundesrates für wichtig, dann muss man eine Koalitionsregierung mit der SVP oder der SP bilden.


Die Gegner einer Wahl Schmids fürchten einen verstärkten Oppositionskurs der SVP, wenn man ihr Schmid aufzwingen würde.
Natürlich wäre die Wahl Schmids und die Missachtung der SVP-Nomination ein Angriff auf die SVP. Aber man sollte die Oppositionsdrohung nicht überschätzen und von dieser Oppositionsrolle auch nicht zu viel erwarten. Das oft beschworene Schreckensgespenst einer blockierten Regierung entbehrt heute jeglicher Grundlage. Die Vorstellung alimentiert sich aus den Erfahrungen des 19.Jahrhunderts. Damals konnte die CVP mit ihrer sehr treuen Gefolgschaft alles blockieren. Aber heute kann auch die SVP nicht auf eine derart absolute Parteitreue zählen. Für sie wird es mit einer nochmals gesteigerten Opposition sehr schwierig. Abgesehen davon können die Leute sehr genau zwischen Opposition und Obstruktion unterscheiden und folgen nicht einfach einer Partei, weil man sie nicht im Bundesrat haben will.


In CVP und FDP spielen einige mit dem Gedanken, Eberle zu wählen, und hoffen damit die SVP zu disziplinieren.
Ganz abwegig ist dieses Szenario nicht. Wenn man das «Friedensangebot», wie die SVP ihr Zweierticket bezeichnet, akzeptiert, kann man erwarten, dass die SVP etwas konzilianter wird. Aber zu glauben, die SVP werde dann gezähmt und auf jegliche Opposition verzichten, ist unrealistisch. Mit der Wahl Eberles oder Fuhrers wird die SVP nicht zu einem EU-Beitritt bekehrt werden können.


Mit welchem Bundesrat lebt die SVP kurzfristig besser? Mit einem der Offiziellen, mit denen sie den Zürcher Flügel endlich im Bundesrat hätte, oder mit Schmid, der ihr das Doppelspiel von Regierungspartei und Opposition weiter legitimieren würde?
Ich glaube nicht an die These, wonach die SVP mit der Nomination von Rita Fuhrer und Roland Eberle die Wahl eines wilden Kandidaten und damit eine Teil-Opposition provozieren will. Die SVP hat auch als Regierungspartei noch Wachstumspotenzial und will möglichst stark und mit Kandidaten aus dem Kern der Partei im Bundesrat sein.*