BZ, 26.9.2000
Der Politologe Andreas Ladner findet, dass Parteien und Parlamentarier mehr
Geld beanspruchen dürften.
*Interview: Michael Gerber
BZ: Herr Ladner, die Parteien sollen einen höheren Zustupf aus der Bundeskasse
erhalten. Der Nationalrat hat der Erhöhung der Fraktionsbeiträge um 50 Prozent
zugestimmt. Schwimmen die Fraktionen bald im Geld?
Andreas Ladner: Nein, sicher nicht. Heute erhalten sie rund 3,5 Millionen
Franken, und künftig werden es 5 Millionen sein. Gemessen an ihren Aufgaben
ist dies relativ wenig. Ich finde es wichtig und richtig, dass sie besser entschädigt
werden.
Die Beiträge wurden bereits im letzten Jahr minim aufgestockt. Sollte
nicht grundsätzlich Ÿber eine Parteienfinanzierung gesprochen werden?
Natürlich. Doch die Parteien sagen sich: ÇLieber den Spatz in der Hand
als die Taube auf dem DachÈ - anders gesagt: lieber höhere Fraktionsbeiträge
als gar nichts. †bers Ganze gesehen wäre es sicher sinnvoller, die Parteien
zu finanzieren und damit zu stärken. Denn die Parteien leisten sehr wertvolle
Arbeit an der Basis. Und dafür fehlt ihnen zunehmend das Geld.
Seit den 70er-Jahren stand die Parteienfinanzierung mehrmals zur Diskussion.
Warum ist sie nicht realisiert worden?
Weil sie nicht von allen Parteien unterstŸtzt wird. Stattdessen hat man
den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht - und ihn in der Erhöhung der
Fraktionsbeiträge gefunden. Eine weitergehende UnterstŸtzung der Parteien
fände auch zum heutigen Zeitpunkt weder im Parlament noch im Volk eine
Mehrheit.
Sind die Bundesratsparteien aus demselben Grund bei den Fraktionsbeiträgen
zurückgekrebst? Ursprünglich wollten sie eine Verdoppelung.
Richtig. Sie haben damit Realitätssinn bewiesen. Mehr war wohl nicht
zu holen - nicht zuletzt, weil die SVP bei dieser Frage ausschert und auch die
Erhöhung der Fraktionsbeiträge nicht unterstŸtzt.
In Deutschland erhalten die Fraktionen 15-mal, in Österreich gar 35-mal
mehr. Warum ist die Schweiz so knauserig?
Der Hauptgrund ist sicher der Milizgedanke. Dieser ist in unserer Gesellschaft
stark verankert. Deshalb hat die Schweiz im Gegensatz zu den meisten Staaten
bisher darauf verzichtet, die Parteien zu fördern. Im Ausland werden die
Parteien stark unterstützt - zum Teil zu stark: Denn nicht jede Art der
Parteienfinanzierung ist per se gut. Sie muss an bestimmte Leistungen gebunden
sein - und sollte nicht darin gipfeln, dass die Partei teure Wahlkampagnen betreiben
kann. In der Schweiz deutsche oder österreichische Verhältnisse zu
schaffen, kann nicht das Ziel sein. Die Fraktionsbeiträge zu verdrei- oder
vervierfachen, fände ich aber angebracht.
Nicht nur die Fraktionen, auch die Parlamentarier sollen mehr bekommen. Ihre
Taggelder werden um einen Viertel erhöht. Reicht dies aus?
Nein, das reicht nicht. Das ist bloss eine marginale Erhöhung, denn
eigentlich werden die Taggelder nur an die Teuerung angepasst. Es stellt sich
deshalb unweigerlich die Frage, ob die Parlamentsarbeit noch mit einem Milizsystem
zu bewältigen ist.*