BZ, 16.12.2000
Der Politikwissenschafter Andreas Ladner zur Wahl
«Wahlverfahren ist unbefriedigend»
Der freiwillige Proporz bei den Bundesratswahlen sei weder Fisch noch Vogel und deshalb überholt, findet der Politikwissenschafter Andreas Ladner. Er fordert eine Diskussion über neue Modelle.
Interview: Franz Hophan
BZ: Der alte Bundesrat ist auch der neue Bundesrat. Wie beurteilen Sie dieses
Ergebnis?
Andreas Ladner: Das Resultat war zu erwarten.
Wir haben eine neue Regierung, aber die Probleme, die durch das Aufkommen der
SVP entstanden sind, haben wir nicht gelöst.
Welches sind diese Probleme?
Wir haben eine starke SVP, die Oppositionskurs fährt und jetzt im Bundesrat
untervertreten ist. Das gibt ihr die Legitimität, weiter auf Opposition
zu machen.
Hätte sich das anders lösen lassen?
Es hätte die Chance bestanden, Christoph Blocher zu integrieren und ihn
damit in die Verantwortung einzubinden. Mit der SP ist es ja gelungen, auch
sie hat ein erhebliches Oppositionspotential.
Auf wessen Kosten hätte Blocher in den Bundesrat einziehen können?
Am einfachsten über das schwächste Glied im Bundesrat. Dazu hätte
die SVP die CVP attackieren müssen. Indem Blocher aber auf die SP losgegangen
ist, hat er höhere Ziele angepeilt, nämlich eine Mitte-Rechts-Regierung.
Hat Blocher einen taktischen Fehler gemacht?
Nein, er hat einen Schritt weiter gedacht. In der längerfristigen Strategie
der SVP ist der zweite Sitz im Bundesrat nur eine Option, die andere ist die
verstärkte Oppositionsrolle, mit der sich Wähler gewinnen lässt.
Durch die Offerte einer Mitte-Rechts-Regierung kam die FDP unter Druck, und
das ist genau der Ort, wo die SVP in Zukunft wachsen will.
Es hat sich aber nichts verändert. Viel Lärm um nichts?
Es ist ein Prozess im Gang, der nicht aufzuhalten ist. Die Veränderungen
wurden von diesen Bundesratswahlen aber nicht aufgenommen. Auf der Rechten ist
eine Umschichtung im Gang; die FDP steht unter Druck, die CVP wird zunehmend
marginalisiert. Das politische Kräfteverhältnis im Land wird im Bundesrat
nicht mehr abgebildet.
Muss das Wahlverfahren geändert werden.
Das Wahlverfahren ist unbefriedigend. Wie haben eine Art freiwilligen Proporz
und dabei seit langem ein ungutes Gefühl. Wir müssen darüber
nachdenken, wie das geändert werden könnte.
Was schlagen Sie vor?
Das Harmloseste wäre die gemeinsame Wahl aller Bundesräte. Ein andere
Möglichkeit wäre die Proporzwahl durch das Parlament. Wie die auszugestalten
ist, wäre noch zu überlegen. Wenn man schon für Konkordanz ist,
dann sollten die Parteien ihrer Stärke entsprechend im Bundesrat vertreten
sein.
Christoph Blocher propagiert die Volkswahl des Bundesrates. Wäre das eine
Lösung?
Die Volkswahl wäre problematisch und mit Sicherheit noch komplizierter.
Aber man sollte die Modelle, die vorgelegt werden, prüfen, und nicht einfach
alles verwerfen.
Hat in schwierigen Zeiten eine stabile, vertraute Regierung nicht auch ihre
Vorteile?
Der Einzug Blochers in den Bundesrat hätte ja nicht eine völlig andere
Regierungspolitik bewirkt. Die Lösungen schwieriger Probleme werden tragfähiger,
wenn alle wichtigen Kräfte daran beteiligt sind.
Blocher hat nach seiner Nichtwahl Fundamentalopposition angekündigt.
Was könnte das bedeuten?
Das ist Blochers Strategie für weiteres Wachstum auf Kosten der FDP. Er
muss aber aufpassen, dass er nicht überzieht, denn die meisten FDP-Wähler
wollen nicht nur Opposition um jeden Preis.