Tages-Anzeiger vom 26.1.2001

 


 

Samuel P. Huntington: The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order

 

Theoretiker des Kulturknalls

Samuel P. Huntington, Jahrgang 1927, ist Professor für Politikwissenschaft, Berater des US-Aussenministeriums und Leiter des John-M.-Olin-Institutes für Strategische Studien an der Harvard University. Unter Präsident Jimmy Carter war er Mitglied des National Security Council. Er ist zudem Begründer und Mitherausgeber der Fachzeitschrift "Foreign Affairs". Huntington hat zahlreiche wegweisende Bücher verfasst. Dazu gehören "The Soldier and the State", "American Politics" und vor allem "The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order".

Dieses Werk hat vor vier Jahren eine weltweite, heftige Kontroverse ausgelöst. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und der Auflösung der Sowjetunion hatte der US-Ökonom Francis Fukuyama "das Ende der Geschichte" prophezeit: Die liberale Demokratie westlichen Zuschnitts werde sich weltweit durchsetzen. Huntington hingegen vertritt in seinem Buch die These, dass nach dem Ende des Kalten Krieges die Weltpolitik künftig nicht mehr primär von konkurrierenden Ideologien oder von Nationalstaaten oder Wirtschaftsblöcken bestimmt werde, sondern vom Zusammenprall verschiedener Kulturen.

In seiner Sicht wird die Welt im 21. Jahrhundert hauptsächlich durch die Wechselbeziehungen zwischen sieben grossen Zivilisationen geprägt: die westliche, die islamische, die chinesische, die hinduistische, die slawisch-orthodoxe, die lateinamerikanische und die afrikanische.

Fronten, die Zivilisationen entlang

Unter Zivilisation versteht Huntington die grösste kulturelle Einheit, mit der sich Menschen identifizieren. Gemeinsame Sprache, Geschichte und Gewohnheiten gehören dazu. Die Fronten zwischen diesen Zivilisationen ersetzen in seiner Sicht die ideologischen Grenzlinien des Kalten Krieges. Huntington provozierte mit seiner These vehementen Widerspruch. Man warf ihm vor, dass er nach dem Ende des Kalten Krieges neue Feindbilder konstruiere - mit verheerenden Konsequenzen für die Aussenpolitik der Staaten.

In Asien war die Reaktion besonders heftig. Huntington hatte in seinem Buch aufgezeigt, weshalb der Zusammenstoss zwischen China und dem Westen unter bestimmten Bedingungen wahrscheinlich sei. Politologen und Regierungsmitglieder fürchteten daraufhin, dass die Argumente dazu genutzt werden könnten, um eine neue Isolationspolitik zu rechtfertigen beziehungsweise anti-asiatische Gefühle in anderen Regionen entstehen zu lassen. Kritiker beschuldigten Huntington, er provoziere mit seinen Aussagen einen neuen Kalten Krieg, nein, er wünsche ihn geradezu herbei. Huntington weist solche Vorwürfe als "Verleumdung" zurück. (dan/pl)

 


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