Tagblatt vom 11.6.2001, |
Knappes Ja zu Militärvorlagen: Interview mit dem Politologen Andreas Ladner
Gleich von zwei Seiten wurden die Militärvorlagen bekämpft: von der Rechten und von der pazifistischen Linken. Zunächst zur Opposition von Rechts: Es scheint, dass die Kampagne von SVP, Auns und Christoph Blocher weniger Wirkung hatte als erwartet. Warum?
Ladner: Die Kampagne hatte durchaus Wirkung. Das zeigt der Verlauf des Abstimmungskampfes: Ursprünglich zeigten die Umfragen, dass die Zustimmung zu den Vorlagen im Volk gross war. Dann aber gelang es den Gegnern, breite Verunsicherung zu stiften und viele zu einem Nein zu bewegen. SVP und Auns können daher zwar nicht mit dem Ausgang der Abstimmung zufrieden sein - aber sehr wohl mit der Wirkung ihrer Kampagne.
Hätte die Kampagne von SVP und Auns mehr Erfolg gehabt, wenn sie früher eingesetzt hätte?
Ladner: Kommt man zu früh mit der Kampagne, kann der Gegner kontern. Kommt man indes zu spät, haben viele womöglich schon brieflich abgestimmt. Meine Hypothese ist: Das Ja-Lager hat diesmal davon profitiert, dass ein Teil der Leute schon abgestimmt hatte, bevor der Stimmungswandel einsetzte. Das schaffte ein Polster und rettete die Vorlagen.
Womit die Gegner der Vorlagen also doch den Start verschlafen haben?
Ladner: Sie haben den Start nicht verschlafen. Aber sie konnten zunächst nicht mobilisieren, weil die beiden Militärvorlagen die Leute nicht wirklich beschäftigten. Die gegnerische Kampagne griff erst, als sie wegen ihres Stils zum öffentlichen Thema wurde. Das hatte Wirkung.
Dass der Bundesrat die Kampagne kritisierte, war also kontraproduktiv?
Ladner: Das ist schwierig abzuschätzen. Einerseits zeigt die Erfahrung: Wer eine Kampagne kritisiert, schade ihr nicht, sondern verschafft ihr Publizität. Andrerseits hatte der Bundesrat diesmal keine Wahl. Er musste auf den Meinungsumschwung reagieren, um zumindest die Befürworter zu mobilisieren.
Kommen wir zur Opposition von Links: Welche Rolle spielte sie?
Ladner: Das linke Nein hat die Vorlagen an den Rand einer Niederlage gebracht. Aber es ist ihm nicht gelungen, das linke Potenzial wirklich auszuschöpfen. Die Mehrheit der Linken sagten Ja - weil sie nicht mit Blocher marschieren wollte.
Wie sind aber die Nein-Mehrheiten in der eher SVP-skeptischen Romandie zu erklären? Hier haben sehr wohl viele Linke ein Nein in die Urne gelegt.
Ladner: In der Romandie wurden die Vorlagen nicht als eine aussenpolitische Weichenstellung wahrgenommen. Zudem ist man hier traditionell militärkritisch. Das Militär hat in der Romandie immer etwas mit der Deutschschweizer Mehrheit zu tun und ruft einen Abwehrreflex hervor.
Trotz welscher Schützenhilfe reüssierte die Rechte aber nicht: Um so mehr kann man also von einer empfindlichen Niederlage für Christoph Blocher, die SVP und die Auns sprechen.
Ladner: Das ist keine wirkliche Niederlage für das Blocher-Lager. Wenn eine Partei mit 22 Prozent das Doppelte an Stimmberechtigten auf ihre Seite zieht, so ist das ein Erfolg. Das Blocher-Lager hat vielmehr gezeigt, dass es mobilisieren kann.
Trotzdem: Womöglich hat das gestrige Verdikt dem Blocher-Lager die Grenzen ihrer Oppositionspolitik aufgezeigt?
Ladner: Das wird das Blocher-Lager eher motivieren, noch stärker zu mobilisieren. Zudem: Gerade für die Auns macht es Sinn, sozusagen den Ernstfall zu üben. Und der findet ja bald statt: mit der Abstimmung über den UNO-Beitritt.
Heisst das, dass es der UNO-Beitritt an der Urne schwer haben wird ?
Ladner: Das Blocher-Lager hat immerhin bewiesen, dass es auf fast 50 Prozent kommt. Andrerseits ist klar: Diese 50 Prozent sind nicht alle gegen die UNO. In der Romandie werden viele, die jetzt Nein stimmten, Ja zur UNO sagen.
Also doch gute Chancen für den UNO-Beitritt?
Ladner: Die Abstimmung über die Militärvorlagen war sicherlich problematischer. Insofern stehen die Chancen für ein Ja zur UNO gut.
Welche Schlüsse lässt das gestrige Volksverdikt für die künftige Ausrichtung der Aussenpolitik zu?
Ladner: Eigentlich keine. Bei den beiden Vorlagen ging es um die Modernisierung der Armee - und weniger um die aussenpolitische Öffnung. Dieser Aspekt wurde vor allem deshalb forciert, um die Linke für ein Ja zu gewinnen.
Interview: Walter Langenegger