Neue Luzerner Zeitung vom 9.4.2001

«Bührers Chorgesang ist gefährlich» 

FDP Schweiz

Der klassischen liberal-freisinnigen Politik mit einer Tendenz nach rechts, wie sie der neue Präsident Bührer verkörpert, räumt Politologe Ladner wenig Wachstumschancen ein.

INTERVIEW VON GREGOR POLETTI

Der neue FDP-Präsident möchte die Hemdsärmel hochkrempeln und vermehrt auch Gefühle ansprechen. Das tönt nach einer Angleichung an den SVP- Stil?
Andreas Ladner: Wenn eine Partei so erfolgreich ist wie die SVP, ist man verständlicherweise versucht, den Stil zu kopieren. Aber diese Art stösst gerade bei den Mitgliedern der FDP schnell an gewisse Grenzen. Ein Freisinniger schreibt doch lieber einen Leserbrief, als dass er auf die Strasse geht und Unterschriften sammelt oder sich gar für ein «Buurezmorge» hergibt. Für die FDP ist das kaum das richtige Rezept, zumal sich die Freisinnigen nicht so leicht führen lassen wie die Mitglieder der SVP.


Aber die SVP hat es trotz ihres Stils geschafft, die ehemals freisinnige Hochburg Zürich zu knacken.
Ladner: Das war für die FDP zweifelsohne ein traumatisches Erlebnis. Kommt hinzu, dass die FDP in der auch national äusserst wichtigen Metropole Zürich mit dem SAir-Debakel einen weiteren Imageschaden erlitt. Es kommt nicht von ungefähr, dass mit Bührer die Hoffnung verknüpft wird, dass er gegen die Abwanderung nach rechts vermehrt Pflöcke einschlagen und die Vertreter der Wirtschaft wieder zurückgewinnen kann, insbesondere in Zürich. Schliesslich ist er, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Franz Steinegger, klar ein Mann der Wirtschaft.  

Gleichzeitig will Bührer die FDP in der Westschweiz stärken. Ist das nicht ein Widerspruch, zumal die Romands eher links politisieren?
Ladner: Mit Spannungen zwischen der Deutschschweiz und der Westschweiz hatte die FDP immer zu kämpfen. Die Sicherung ihrer Stellung in der Westschweiz dürfte aber zentral werden, weil auch die SVP dort noch ein Entwicklungspotenzial sieht.
Obwohl Bührer von einem bürgerlichen Dreierbund spricht, attackiert er die CVP, indem er ihren Anspruch auf zwei Bundesratssitze bei einem weiteren Einbruch in Frage stellt.


Ladner: Solche Verbalschläge gegen andere Parteien gehören zum Spiel der Politik. Zudem ist die Chance sehr klein, dass ein amtierender Bundes- rat abgewählt wird. Diese Aussage zeigt eher, dass eine Fusion zwischen FDP und CVP auch in nächster Zeit kaum als realistische Möglichkeit eingestuft wird.
Bührer hat sich das Ziel gesetzt, die Partei wieder über 20 Prozent Wähleranteil zu bringen.

Wie ist dieser Anspruch zu werten?
Ladner: Damit geht noch kein Ruck durch die Partei. Bührer hat die Latte nicht sehr hoch gesteckt. Dieses Ziel ist wahrscheinlich auch ohne grosse Richtungsänderung und Anstrengungen noch einmal zu erreichen. Die Frage ist vielmehr, ob sich die FDP mit dem sich jetzt abzeichnenden Kurs längerfristig halten kann. Der Blick ins Ausland zeigt, dass die klassischen liberal-freisinnigen Parteien lediglich den Status von Miniparteien fristen.


Wohin könnte oder sollte die Reise denn gehen?
Ladner: Die FDP sollte sich nicht an den konservativen Wählern orientieren, sondern sich auf den Pfad der Modernität begeben. Probleme orte ich in ihrem Verhältnis zum modernen Staat. Sie muss sich überlegen, ob der uneingeschränkte Ruf nach einer möglichst tiefen Staatsquote und dem Abbau von Steuern wirklich der richtige Weg ist. Nicht zuletzt hat ja gerade die FDP diesen Staat entscheidend mitgeprägt, und zahlreiche staatliche Leistungen in der Schweiz lassen sich auch im internationalen Bereich durchaus sehen. Zudem haben die Entwicklungen in den letzten Jahren eindrücklich gezeigt, dass das Heil nicht nur in den Privatisierungen liegt. Es gibt durchaus Bereiche, wo wir mit einem starken Staat besser fahren. Aber ich habe den Eindruck, dass auch Bührer allzu stark in den Chor der Staatsab bauer einstimmt, was einige Gefahren in sich birgt.


Auffällig ist auch, dass die FDP vom Nadelstreifenimage nur schwer wegkommt.
Ladner: Die FDP weiss selber, dass sie nicht mehr die Anziehungkraft wie vor zwanzig Jahren hat, insbesondere bei den Jungen. Ich zweifle in der Tat daran, ob sich die Jungen noch für Nadelstreifen begeistern können. Doch gerade bei den Hochschulabgängern, die für die FDP traditionell wichtig wären, stösst sie auf wenige Begeisterung. Um diese Leute anzuziehen, reicht es eben nicht, nur einfach Wirtschaftspartei zu sein. Viel eher ist diese Schicht mit einer modernen, zwar wirtschaftsfreundlichen, aber nicht generell staatsfeindlichen Reformpolitik zu begeistern, gepaart mit einer Portion Urbanität.

 


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