Konnte es Bundesrat Samuel Schmid überhaupt ernst sein mit der
Drohung, aus der SVP auszutreten?
Andreas Ladner: Das Problem ist, dass man von ihm das so nie sagen
hörte.
Immerhin liess er solche Aussagen durch sein Umfeld aber auch nicht
dementieren.
Ladner: Schmid gilt als besonnener Mensch. Das heisst, dass er
solche Drohungen nicht leichtsinnig und unbesonnen äussert. Das wiederum zeigt,
dass zwischen ihm und seiner Partei tatsächlich ein Problem besteht.
Jetzt wurde in der Fraktion ein Burgfrieden geschlossen. Schmid liess
sich von der Fraktion zu ihrem Bundesrat wählen.
Ladner: Das ist sicher o.k. Die Frage bleibt, wie dauerhaft dieser
Friede ist. Es würde mich nicht erstaunen, wenn der nächste Konflikt schon bald
wieder ausbrechen würde.
Wäre ein Parteiaustritt überhaupt möglich? Einen parteilosen
Bundesrat hat es bisher noch nie gegeben.
Ladner: Im konkreten Fall ja. Bundesrat Schmid ist nicht vom Volk
und war bisher nicht einmal von seiner eigenen Partei gewählt. Wenn die
Differenzen mit seiner Partei über reine Stilfragen hinausgehen und auch
Grundsätzliches tangieren, wäre - mindestens in einer ersten Phase - ein
Parteiaustritt für Schmid also durchaus möglich und sogar nichts als konsequent
gewesen.
Ihrer Meinung nach hätte Bundesrat Schmid aus der SVP austreten
müssen?
Ladner: Mit dem Parteiaustritt zu kokettieren, ist ein gefährliches
Spiel. Bundesrat Schmid pokerte hoch. Seit rund einer Woche hat er entsprechende
Austrittsgelüste nicht dementieren lassen. Hätte er nach der Aussprache nichts -
wie jetzt - Konkretes in der Hand gehabt, um vor die Öffentlichkeit zu treten,
wäre die Gefahr bestanden, dass er sein Gesicht verloren hätte.
Was hätte Schmids Parteiaustritt für das Schweizer Regierungssystem
bedeutet? Das Konkordanzsystem und die Zauberformel wären über Nacht vom Tisch?
Ladner: Formell stimmt das. Die Zusammensetzung der Zauberformel mit
einem SVP-Bundesratssitz wäre Vergangenheit gewesen.
Aber?
Ladner: Realistischerweise wird man die Zauberformel eher auslaufen
lassen, als sie auf Grund einer konkreten Strategie sterben lassen. Falls Schmid
tatsächlich seiner Partei den Rücken gekehrt hätte, hätte das erst bei der
Gesamterneuerungswahl des Bundesrates im Dezember 2003 zu Problemen geführt.
Wieso?
Ladner: Dann hätte sich die Frage gestellt, ob er noch einmal
gewählt wird oder nicht.
Das heisst, dass die anderen Parteien ein Problem haben, nicht die
SVP?
Ladner: Genau. Die anderen Parteien hätten sich überlegen müssen, ob
sie Bundesrat Schmid als Parteilosen wählen oder ob sie ihn fallen lassen. Das
wäre ein Dilemma gewesen, denn sie haben ihn immerhin gegen den Willen der SVP
in die Regierung gewählt. Ihn aber fallen zu lassen, wäre ein Verstoss gegen ein
schweizerisches Grundprinzip gewesen, nämlich dass man einen Bundesrat nicht
abwählt, ohne dass er etwas ganz Schlimmes gemacht hätte.
Angenommen, sie hätten Schmid dann fallen gelassen?
Ladner: Dann könnte die SVP sagen, hallo ihr habt die Zauberformel
gesprengt, wir sind nicht mehr vertreten. Oder anders gesagt, sie hätte ihre
Opferrolle und ihren Wunsch nach zwei eigenen Bundesräten noch stärker auskosten
können. Die anderen Parteien wären zusätzlich vor der Frage gestanden, wen sie
wählen sollen. Wieder jemanden aus der SVP, den die SVP nicht will? Oder einen
dritten aus CVP, FDP oder SP. Das Erste wäre wohl nicht in Frage gekommen, die
zweite Partei hat es auch nicht verdient und der SP hätten die Bürgerlichen
diese Freude wohl kaum machen wollen.
Wie man es dreht, die SVP wäre als Siegerin dagestanden?
Ladner: Tatsächlich. Das war einmal mehr eine Situation, in der es
vor allem für die anderen Parteien unangenehm wurde. Nur muss man auch beachten,
dass die SVP einen Bundesrat will, was für sie langfristig auch besser ist.
Deshalb fand sie wohl in der gestrigen mehrstündigen Fraktionssitzung auch den
Rank mit ihrem Bundesrat.
Die SVP droht bereits heute mit einem schärferen Oppositions- oder
Obstruktionskurs. Ist das überhaupt möglich?
Ladner: Obstruktionspolitik wird letztendlich für die SVP nicht zum
Erfolg werden. Die Mobilisierungskraft, die sie bei der Asylinitiative an den
Tag legen konnte, hat sie nicht bei allen Themen. Erfolgreiche
Obstruktionspolitik kann man aber nur betreiben, wenn man die Mehrheit hinter
sich hat. Das heisst für mich auch, dass man vor der SVP-Drohung, ihre
Oppositionsrolle noch stärker auszuspielen, nicht grundsätzlich zittern muss.
Auf den politischen Stil würde ein solcher Kurs Auswirkungen haben, dass die
Politik des Landes durch Volksinitiativen und Referenden blockiert würde,
bezweifle ich.