Neue Luzerner Zeitung vom 25. September 2002

«Die CVP muss beweisen, dass es ihr nicht um die Macht geht»

Ab 2003 wird der Luzerner Regierungsrat nur noch aus fünf Mitgliedern bestehen. Der Zürcher Politologe Andreas Ladner* räumt der CVP gute Chancen ein.

Andreas Ladner, was für Auswirkungen wird die Verkleinerung der Regierung auf den Kanton Luzern haben?

Andreas Ladner: Allzu viel wird sich nicht verändern. Die Regierung wird getreu ihrer anderen Reformvorgaben noch etwas schlanker weiterfahren, dafür muss die Verwaltung eher ausgebaut werden.

Die Möglichkeit ist gross, dass der Kanton ab 2003 von einer rein bürgerlichen Exekutive regiert wird.

Ladner: Schon die heutige Zauberformel bildet eine bürgerliche Mehrheit ab, die Parteienzusammensetzung entspricht heute aber weniger gut den politischen Kräfteverhältnissen und ist daher für viele unbefriedigend. Bei der neuen Fünferregierung besteht zumindest in der Übergangsphase tatsächlich die Gefahr, dass es zu einer Regierung ohne die Linke kommt. Hier hätte das Proporzsystem Abhilfe schaffen können. Nun kann es zu einem reinen Oppositionssystem kommen.

Opposition hiesse, der politische Ton würde verschärft.

Ladner: Opposition hiesse, stärker auf den Mann spielen. Es würde vielmehr darauf geachtet, was die einzelnen Regierungsmitglieder machen. Zudem käme die Opposition, falls auch die SVP keinen Kandidaten in die Regierung bringt, gleich von zwei Seiten: von links und von rechts.

Die CVP wird vor die Entscheidung gestellt, ob sie die bisherigen vier Regierungsräte nochmals aufstellt und damit Krach mit den anderen Parteien provoziert, oder ob sie auf einen oder zwei Sitze verzichten soll. Was raten Sie der CVP?

Ladner: Das muss die CVP selber abwägen. Einerseits wäre sie mit vier Regierungsräten klar übervertreten, andererseits gehört es in der Schweiz zur politischen Kultur, dass man Politiker nicht abwählt, wenn sie gute Arbeit leisten. Die CVP könnte mit ihren vier wieder antreten und die Entscheidung den Wählern überlassen. Die Chancen für die CVP stehen nicht schlecht.
 

Dann hätte es die CVP aber ein für allemal mit den anderen Parteien verspielt.

Ladner: Es kommt drauf an, wie es die CVP anpackt. Sie muss sicher im Voraus mit ihren Verbündeten reden. Vielleicht könnte sie ein Gegengeschäft als Kompensation anbieten: zum Beispiel wenn es um Richterwahlen, um Präsidien oder andere Ämter geht, wo die Parteizugehörigkeit eine Rolle spielt. Auf jeden Fall muss die CVP in aller Deutlichkeit kommunizieren, dass es ihr nicht um die Macht in der Regierung, sondern um vier brillante bewährte Köpfe geht.

Die CVP befindet sich im Kanton Luzern auf Talfahrt. Auch bei zwei Gemeinderatswahlen am Wochenende wurden beide Male nicht die offiziellen CVP-Kandidaten gewählt. Was ist los mit der CVP?

Ladner: Es ist ein Phänomen, dass es in der Zentralschweiz noch so dominante Parteien gibt, die sogar die Mehrheit einer Regierung ausmachen. In der Regel verbuchen die stärksten Parteien in den Kantonen heute maximal 30 Prozent der Wählerstimmen. Dass die CVP an Stimmen verliert, ist eine Normalisierung der Politlandschaft. Einerseits ist SVP in Luzern stark eingefahren, andererseits ist heute die Bindung zu einer Partei nicht mehr so tief wie früher, als man automatisch der gleichen Partei beitrat, der schon die Eltern und Grosseltern angehörten.
 

Ist die CVP in Gefahr?

Ladner: Nein. Auch wenn ihr Wähleranteil von heute 40 auf 30 Prozent sinken sollte, wäre die Partei immer noch sehr stark.

Was braucht es, damit die CVP mehr Erfolg hat? Eine härtere Gangart?

Ladner: Die CVP muss sich - und damit rede ich auch von der schweizerischen CVP - überlegen, in welche Richtung sie mittel- und längerfristig zielen will. Ist sie eine Mittepartei? Will sie den rechten Flügel der SVP überlassen? Oder will sie um jeden Preis gegen die SVP ankämpfen? In der Innerschweiz könnte sie zwar die SVP mit einem rechtskonservativen Kurs in Schach halten, sie hat aber kaum Chancen, in den urbanen Zentren neue Wählerstimmen zu gewinnen. Und die hätte sie bitter nötig.

Um gegen die CVP anzukämpfen, sprach die SP bereits von einer gemeinsamen Liste mit der SVP. Ist das sinnvoll?

Ladner: Eine solche unheilige Allianz würde nicht verstanden und wohl auch nicht goutiert. Sie würde den Vorwurf zementieren, dass es nur um Sitze und damit um Macht geht. Das widerspricht auch den Traditionen der SP, die höchst selten Listenverbindungen eingeht.

Was raten Sie denn den kleinen Parteien?

Ladner: Die Parteien müssen von sich aus ihren Anspruch geltend machen und kommunizieren, wieso ihnen ein Sitz in der Regierung zusteht. Unsere doch recht erfolgreiche Konkordanzkultur basiert auf der Integration aller wichtigen Kräfte in die Regierungsverantwortung.

Aber mit dieser Haltung holen sie keinen Sitz.

Ladner: Im Moment nicht. Dafür bleiben sie glaubwürdig.
 

von guido felder

* Politologe Andreas Ladner ist Co-Leiter des Kompetenzzentrums für Public Management an der Uni Bern. Zu seinen Fachgebieten zählen Gemeindeforschung, Parteien, Wahlen, Verwaltungen und institutionelle Reformen.

 


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