NLZ vom 20.2.2004

 


Ausgabe vom Freitag, 20. Februar 2004

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«Im Moment ist nicht die Zeit für Päckchen»

Die Abstimmung über die 11. AHV-Revision erhitzt die Gemüter. Nicht bloss unter Politikern. Weshalb?
 

Andreas Ladner*: Die AHV ist der zentrale Pfeiler der sozialen Sicherheit der Schweiz und regelt die Basisversorgung. Zudem ist sie gerechter als beispielsweise die 3. Säule, welche sich nicht alle leisten können.

Die AHV - eine heilige Kuh?

Ladner: Sie hat sicher einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung.

Ist dies auch der Grund, weshalb die Linke in Rekordzeit das Referendum gegen die Vorlage zu Stande brachte?
 

Ladner: Es ist zumindest ein Zeichen dafür, dass die Sammler der Unterschriften das Volk nicht lange zu überreden brauchten. Ein Leistungsabbau ist einfach sehr unpopulär. Doch die Revision wird ja nicht nur von linker Seite bekämpft ...

... sondern auch von rechts. Hat die Vorlage damit überhaupt eine Chance?


Ladner: Das Volk ist bei so genannten Päckchen-Lösungen sehr zurückhaltend, das haben gerade die Erfahrungen der letzten Abstimmungen gezeigt. Wenn zu viel in eine Vorlage hineingepackt wird, ist es schwieriger, sie beim Volk durchzubringen.

Das Paket «AHV-Revision» wird also keinen leichten Stand haben?


Ladner: Im Moment ist sicher nicht die Zeit für Päckchen. Wenn die Vorlage dann auch noch von beiden Seiten bekämpft wird, sieht es schlecht aus.

Hat der Bundesrat aus seinen Niederlagen bei den Abstimmungen in der Vergangenheit nichts gelernt?

Ladner: Das könnte man so sehen. Doch erstens hat er ja nicht jede verloren. Und zweitens geht die Regierung mit solchen Päckchen jenen Weg, den man begehen muss, wenn man mit verschiedenen Interessen zu kutschieren hat.

Die Vorlage ist also typisch für die Demokratie Schweiz?


Ladner: Ja, sie ist sehr typisch und das Resultat, wenn alle Parteien bei der Ausgestaltung eines Entwurfs mitreden.

Nun sind aber weder die Linken noch die Rechten zufrieden. Nach den Wahlen im Herbst wurde befürchtet, dass sich die beiden Pole am Rand blockieren. Passiert nun genau dies?

Ladner: Ich denke eher nicht. Das Geschäft wurde ja schon früher aufgegleist.

Linke Stimmen bezeichnen die Vorlage als die Schlüsselabstimmung. Sie werde zeigen, wie es mit der Schweiz weitergehe, heisst es. Ist das nicht etwas übertrieben?


Ladner: Für die Linke ist es eine der wichtigsten Abstimmungen in diesem Jahr, die sie natürlich gewinnen will. Da ist es nur logisch, spricht sie von Symbolcharakter und warnt davor, dass bei einem Ja zur AHV-Revision, der Sozialabbau weitergehen wird.

Also bloss Abstimmungskampf?


Ladner: Nicht nur. Bei einem Ja besteht auch faktisch die Gefahr, dass sich die Türen für weitere Abbaupläne öffnen könnten. Denn wenn die Vorlage durchkommt, waren die Gegner zu schwach. Bei dieser Vorlage ist es aber äussert schwierig herauszufinden, wer der linken oder der rechten Argumentation gefolgt ist. Demnach werden auch die Gewinner nicht so einfach auszumachen sein.


INTERVIEW ANDREA ELMER

*Andreas Ladner ist Politologe an der Universität Bern.


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