Nr. 4 9 7. Dezember 2000FORUM Zerrbild
Neoliberalismus Obwohl
der real existierende Sozialismus, praktiziert im einstigen Sowjetblock,
seit einem Jahrzehnt der Geschichte angehört, hat der Liberalismus in
der zeit- genössischen Gesellschaft keinen leichten Stand. Vollends der
sogenannte Neoliberalismus ist zu einem Zerr- und Feindbild geworden; er
gilt als Urheber der Vermarktung jeglicher Lebensinhalte und ihrer üblen
sozialen Folgen. Das oberflächliche Werturteil kommt jedoch einer gründlichen
Verkennung der freiheit- lichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung
gleich. FDP.
– Gewiss lässt sich die Gegenwart nicht nur in einem kalendermässigen
Sinn als Zeitenwende bezeichnen. Sie zeigt Merkmale eines Wandels, der
mit Stichworten wie Elektronisierung, Globalisierung,
Unternehmenskonzentration, Deregulierung, Arbeitsmarkt-Flexibilisierung
und neue Wohlstandsmuster charakterisiert werden kann. Viele sehen darin
den Ausfluss eines radikalen Materialismus, begünstigt durch einen
Liberalismus, der mit dem Attribut „Neo“ alle ethischen Grundlagen
preisgegeben habe. Der
mündige Mensch Eine
solche Wertung verkennt völlig das ordnungspolitische Denken, das dem
klassischen Begriff des Neoliberalismus entspricht. Dieser hat vielmehr
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sittliche Massstäbe gesetzt,
die sich von der Laissez-faire-Epoche des 19. Jahrhunderts klar abheben,
allerdings auch jede Art von Totalitarismus ausschliessen und letztlich
die Basis der sozialen Marktwirtschaft gelegt haben. Gestalt fanden sie
namentlich in der damaligen Freiburger Schule, repräsentiert
durch Namen wie Walter Eucken, Alexander Rüstow, Wilhelm Röpke
oder Alfred Müller-Armack. Diese
gesellschaftswissenschaftlichen Denker waren überzeugt von der
wohlstandsstiftenden Rolle freier Märkte, jedoch gestützt auf Treu und
Glauben, auf individuelle Verantwortung und gesellschaftliche Moral.
Sozialpolitische Zuständigkeiten des Staates wurden keineswegs
geleugnet, aber sinnvoll eingeordnet. Als ihr Ziel galt nicht pauschale
materielle Gleichheit durch massive Umverteilung, sondern die Ermutigung
persönlicher Eigenverantwortung und der Einsatz öffentlicher Mittel
zum Ausgleich sozialer Härten dort, wo solche Verantwortung nicht
getragen werden kann. Dieses „nachrangige“, subsidiaritäts-
gerechte Solidaritätsverständnis fliesst aus der aufklärerischen
Losung vom mündigen Menschen, und es ist weit entfernt von sozialer
Gleichgültigkeit. Auch
Freiheit braucht Regeln Unzulässig
ist sodann der Vorwurf an den neuzeitlichen Liberalismus, er wolle durch
integrale Vormacht der Wirtschaft die Politik ausser Kraft setzen. Auch
eine freiheitliche Ordnung verlangt einen Staat, ja einen politisch
starken Staat, stark durch die Erfüllung der Aufgabe, die Freiheit der
Einzelnen gegen Willkür öffentlicher und privater Sonderinteressen zu
schützen. Dazu dient die Sicherung der Funktionsfähigkeit der
Marktwirtschaft durch sinnvolle Regeln, etwa die Garantie des
Privateigentums und des Zivilrechts, die Vermeidung lähmender
Steuerlasten, die Abwehr bürokratischer Willkür, die Gewährleistung
der Geldwertstabilität, kurz die Zuverlässigkeit von
Rahmenbedingungen, welche die produktive Entfaltung freien
wirtschaftlichen Handelns ermöglichen. Das
normative Wettbewerbsprinzip In
besonderem Mass bedarf die Marktwirtschaft, soll sie allgemeinen Nutzen
verbürgen, einer Wettbewerbsordnung, welche die Beherrschung
der Märkte durch Kartelle und Monopole verhindert. Es handelt
sich um ein zutiefst neoliberales Prinzip, dessen politische
Durchsetzung in der Tat dem Staat obliegt. Umso verfehlter ist die
verbreitete linksideologische Anfechtung des Wettbewerbs, der angeblich
zu sozialen und persönlichen Ungerechtigkeiten führt, wirtschaftliche
wie auch gesellschaftliche Werte vernichtet und letztlich die rücksichtslos
Reichen auf Kosten der Armen immer noch reicher werden lässt. Diese
Sicht greift nachhaltig. Vielmehr stiftet der marktwirtschaftliche
Ordnungsrahmen des Wettbewerbs sowohl sozialen als auch politischen
Nutzen. Er begünstigt nämlich vor allem die Konsumenten, also die
Gesellschaft insgesamt, und er bannt die Gefahr konzentrierter Macht und
ihres Missbrauchs. Solcherart ist der Wettbewerb schlechthin den
normativen Vorzügen des Neoliberalismus zuzuordnen. Der FDP-Pressedienst. Eine Dienstleistung der FDP für Sie. |