Der Bund vom 18. Januar 2003

Samstag, 18.01.2003, Ausgabe-Nr. 14, Ressort Meinungen

 

Tribüne: Die Wirtschaft und die SVP

• ANDREAS LADNER

 

Die Wirtschaft ist in jüngster Zeit gehörig unter Druck geraten. Verantwortlich dafür sind nicht nur die schlechte Konjunktur, sondern vor allem Fehler und Verfehlungen ihrer Eliten, welche in der Öffentlichkeit Empörung und letztlich auch Zweifel am neoliberalen Gesellschaftsmodell aufkommen liessen. Damit gesellt sich zu dem seit Jahrzehnten abgekühlten Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft ein abgekühltes Verhältnis zwischen Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürgern.

Nun scheint die vom Volk geschmähte Wirtschaft ihre Sympathien für die von den politischen Eliten geschmähte SVP gefunden zu haben. In den Reihen der SVP finden sich immer häufiger Selbständige und Unternehmer, und es machen Gerüchte die Runde, wonach Unterstützungsgelder aus der Finanzwirtschaft vermehrt der SVP zuflössen. Wie konnte sich die ehemalige Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei zur Partei des Grosskapitals entwickeln, und welche Risiken gehen die Unternehmer damit ein?

SVP auf Stimmenjagd bei FDP

Nachdem die SVP, zürcherischer Provenienz, zuerst die äussere Rechte, dann Teile der Arbeiterschaft und schliesslich die konservativeren und integrationsfeindlichen Katholiken auf ihre Seite ziehen konnte, beginnt sie nun auf ihrem Weg zur führenden Volkspartei gezielt bei der FDP über den Zaun zu fressen. Mit radikalen Steuersenkungsforderungen und Widerstand gegen das Schliessen von Lücken im Netz der sozialen Sicherheit oder die Einlösung von Verfassungsaufträgen (Mutterschaftsversicherung) wird sie offensichtlich zur attraktiven Partnerin für die Unternehmer. Die Wirtschaft scheint es an diesem finanz- und steuerpolitisch motivierten Schulterschluss wenig zu stören, dass sie damit gleichzeitig auch das gesamte national-konservative Paket der SVP-Forderungen übernimmt, welches sich gegen eine Öffnung der Schweiz und gegen eine Modernisierung von Staat und Gesellschaft richtet.

Welche Ziele erreicht werden sollen und welche Wege zum Ziel führen, darüber kann und muss in der Politik gestritten werden. Auch dass sich die Wirtschaft mit einer Partei verbündet, die Oppositionspolitik in ihr Wahlprogramm geschrieben hat, ist nicht bedenklich. Opposition in Sachfragen darf und muss in unserem System auch von einer Regierungspartei kommen. Sie ist vor allem die Folge der Kräfteverhältnisse in Regierung und Parlament. Aus dieser Sicht ist es der Wirtschaft überlassen, mit wem sie sich zusammentut.

Mehr als fraglich ist hingegen, ob es der Wirtschaft durch den Schulterschluss mit der SVP gelingt, ihre Vertrauensverluste in der Bevölkerung wieder wettzumachen. Vor allem in Krisenzeiten gehören in einer Volkswirtschaft Politik und Wirtschaft eng zusammen. Fehlt das Vertrauen in die Politik, fehlt auch das Vertrauen in die Wirtschaft. Mit ihren Angriffen auf die «Classe politique» und das Selbstverständnis der anderen Parteien untergräbt die SVP seit Jahren mit Erfolg das Vertrauen ins politische System. Heute ist, anders als früher, das Regierungsvertrauen der Wählerinnen und Wähler auf der rechten Seite des politischen Spektrums geringer als bei den Linken. Vor diesem Hintergrund muss die Wirtschaft ihr Verhältnis zum Staat klären. Dabei sollten nicht nur Steuern und Abgaben berücksichtigt werden, sondern auch die Leistungen des Staates, welche sich in einem internationalen Vergleich durchaus sehen lassen.


 


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