Tribüne: Die Wirtschaft und die SVP
• ANDREAS LADNER
Die Wirtschaft ist in jüngster Zeit gehörig unter Druck geraten.
Verantwortlich dafür sind nicht nur die schlechte Konjunktur, sondern
vor allem Fehler und Verfehlungen ihrer Eliten, welche in der
Öffentlichkeit Empörung und letztlich auch Zweifel am neoliberalen
Gesellschaftsmodell aufkommen liessen. Damit gesellt sich zu dem seit
Jahrzehnten abgekühlten Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft ein
abgekühltes Verhältnis zwischen Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürgern.
Nun scheint die vom Volk geschmähte Wirtschaft ihre Sympathien für die
von den politischen Eliten geschmähte SVP gefunden zu haben. In den
Reihen der SVP finden sich immer häufiger Selbständige und Unternehmer,
und es machen Gerüchte die Runde, wonach Unterstützungsgelder aus der
Finanzwirtschaft vermehrt der SVP zuflössen. Wie konnte sich die
ehemalige Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei zur Partei des
Grosskapitals entwickeln, und welche Risiken gehen die Unternehmer damit
ein?
SVP auf Stimmenjagd bei FDP
Nachdem die SVP, zürcherischer Provenienz, zuerst die äussere Rechte,
dann Teile der Arbeiterschaft und schliesslich die konservativeren und
integrationsfeindlichen Katholiken auf ihre Seite ziehen konnte, beginnt
sie nun auf ihrem Weg zur führenden Volkspartei gezielt bei der FDP über
den Zaun zu fressen. Mit radikalen Steuersenkungsforderungen und
Widerstand gegen das Schliessen von Lücken im Netz der sozialen
Sicherheit oder die Einlösung von Verfassungsaufträgen
(Mutterschaftsversicherung) wird sie offensichtlich zur attraktiven
Partnerin für die Unternehmer. Die Wirtschaft scheint es an diesem
finanz- und steuerpolitisch motivierten Schulterschluss wenig zu stören,
dass sie damit gleichzeitig auch das gesamte national-konservative Paket
der SVP-Forderungen übernimmt, welches sich gegen eine Öffnung der
Schweiz und gegen eine Modernisierung von Staat und Gesellschaft
richtet.
Welche Ziele erreicht werden sollen und welche Wege zum Ziel führen,
darüber kann und muss in der Politik gestritten werden. Auch dass sich
die Wirtschaft mit einer Partei verbündet, die Oppositionspolitik in ihr
Wahlprogramm geschrieben hat, ist nicht bedenklich. Opposition in
Sachfragen darf und muss in unserem System auch von einer
Regierungspartei kommen. Sie ist vor allem die Folge der
Kräfteverhältnisse in Regierung und Parlament. Aus dieser Sicht ist es
der Wirtschaft überlassen, mit wem sie sich zusammentut.
Mehr als fraglich ist hingegen, ob es der Wirtschaft durch den
Schulterschluss mit der SVP gelingt, ihre Vertrauensverluste in der
Bevölkerung wieder wettzumachen. Vor allem in Krisenzeiten gehören in
einer Volkswirtschaft Politik und Wirtschaft eng zusammen. Fehlt das
Vertrauen in die Politik, fehlt auch das Vertrauen in die Wirtschaft.
Mit ihren Angriffen auf die «Classe politique» und das Selbstverständnis
der anderen Parteien untergräbt die SVP seit Jahren mit Erfolg das
Vertrauen ins politische System. Heute ist, anders als früher, das
Regierungsvertrauen der Wählerinnen und Wähler auf der rechten Seite des
politischen Spektrums geringer als bei den Linken. Vor diesem
Hintergrund muss die Wirtschaft ihr Verhältnis zum Staat klären. Dabei
sollten nicht nur Steuern und Abgaben berücksichtigt werden, sondern
auch die Leistungen des Staates, welche sich in einem internationalen
Vergleich durchaus sehen lassen.
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