Aargauer Zeitung vom 8.9.2001

 


© Aargauer Zeitung; 2001-09-08; Seite 3

Thema

«SVP ist in Formbaisse - wie es sie auch an der Börse gibt»

Interview - Politologe Andreas Ladner glaubt, dass die SVP noch Wachstumspotenzial hat, aber in eine schwierige Phase kommt

Herr Ladner, die FDP macht einen dynamischen, die SVP einen müden Eindruck. Was sagen Sie dazu?

Andreas Ladner: Diese Beobachtung ist nicht völlig falsch. Das Pendel schwingt zurück. Der SVP-Erfolge der letzten Zeit waren zu einem grösseren Teil auch auf Protestwähler zurückzuführen. Deren Stimmen flogen der SVP zu, ohne dass diese Wähler innerlich auch gleich SVP-Mitglieder geworden wären. Das hat nicht nur positive Seiten, denn diese Stimmen gehören der SVP eben nicht auf immer und ewig. Die erfolgsverwöhnte Partei, die so schnell gewachsen ist, tritt organisatorisch, strukturell und personell in eine schwierige Phase. Es fehlt an allen Ecken und Enden ein bisschen. Die grosse Herausforderung der SVP besteht heute darin, ihre Zugewinne zu sichern - durch Leistung.

Hat die FDP die SVP inzwischen als bürgerliche Leaderpartei wieder abgelöst?

Ladner: Im Moment ist die SVP sicher nicht besonders aktiv und erfolgreich. Man muss aber auch sehen, dass es als Partei sehr schwierig ist, dauernd als Erste neue Themen zu besetzen. Von einer Trendwende würde ich deshalb auf keinen Fall sprechen. Viel plausibler scheint mir, dass sich die SVP in einer Formbaisse befindet - wie es sie auch an der Börse gibt.

FDP-Nationalrat Marc Suter glaubt, die Wirtschaft schiele nicht mehr in Richtung SVP. Haben sich Wirtschaft und Freisinn seit der Haushaltsanierung tatsächlich wieder versöhnt?

Ladner: Die FDP konnte die Loyalität nicht wieder herstellen, die früher zwischen Wirtschaft und Freisinn herrschte. Die Wirtschaft entscheidet sich heute sachlich und pragmatisch für die eine oder andere Partei. Das verdeutlichen auch die Trends bei der Parteienfinanzierung: Die Wirtschaft achtet darauf, welche Partei ihre Anliegen am effizientesten vertritt. Als Partei, welche vor allem nach rechts ein breites Spektrum vorweist, hat die SVP allerdings ein Handicap. Das macht es für die SVP schwer, in gewissen Fragen Sympathien im bürgerlichen Lager zu gewinnen. An der Goldküste werden gewisse Aktivitäten der Stadt- Zürcher SVP nicht wirklich begrüsst. Da treffen unterschiedliche Kulturen aufeinander.

Wie meinen Sie das genau?

Ladner: Das neoliberale Element der SVP kommt zwar bei Wählern aus Wirtschaftskreisen an. Doch mit dem neo-konservativen Element bekunden gerade FDP-Wähler deutlich grössere Mühe. In Wertefragen - Fristenlösung, Drogenpolitik - zeigt sich ein Bruch zwischen SVP und FDP. Die SVP kann nicht alles unter einen Hut bringen. Und das wiederum gibt der FDP Raum. In Modernitätsfragen verdeutlicht sich, dass sich das Potenzial der SVP nicht beliebig ausdehnen lässt.

Wird die Sieger- zu einer Verliererpartei?

Ladner: Nach ihren Erfolgen wurden die Erwartungen der SVP gegenüber immer wieder hochgeschraubt. Doch die SVP muss nicht 30 Prozent Wähleranteil vorweisen können, um erfolgreich zu sein. Kann sie sich bei 20 Prozent halten, ist sie noch immer die erfolgreichste Partei der letzten Jahre. Sie ist die einzige Partei, die in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren neue Kantonalsektionen gegründet hat. Die SVP hat Wachstumspotenzial in einer ganzen Reihe von Kantonen. Zudem steht die SVP in der Westschweiz erst am Anfang. Das alles darf man nicht vergessen.

Wie findet die SVP zurück zum Erfolg?

Ladner: Die SVP muss nun unter Beweis stellen, dass sie mehr ist als eine Oppositions- und Protestpartei. Sie muss konstruktive Vorschläge bringen und Verantwortung übernehmen.Opposition alleine genügt in der Schweiz nicht als Basis, um eine Partei am Leben zu erhalten. Weil es in der Schweiz keine echte Oppositionskultur gibt. (att)

 

 


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